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In Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung stellt sich die Frage nach den Ursachen und Auswirkungen augenscheinlicher Divergenzen in Einstellungen und Überzeugungen. Diese Divergenzen spiegeln sich zum Beispiel in unterschiedlichen Auffassungen darüber wider, was als gerecht oder fair wahrgenommen wird, aber auch in konkreten Entscheidungen wie beispielsweise der Studiums- oder Berufswahl. Die Ursachen unterschiedlicher Einstellungen und Überzeugungen zu verstehen, und Verständnis über deren Wirkung zu erlangen, kann dabei helfen, Institutionen so zu gestalten, dass sie diese bestmöglich abbilden.

Das Brückenprojekt "Meritokratieglaube, motivierte Erwartungen und Zielverfolgung: Die Studienplatzvergabe als natürliches Experiment" (MERI) basiert auf diesen Überlegungen. Wir untersuchen, wie individuelle Erfahrungen und Interessen die Legitimation von Auswahlverfahren beeinflussen.  Am Beispiel von Bewerber*innen zu den Studienfächern Human, Zahn-, Tiermedizin und Pharmazie – den prestigereichsten und exklusivsten Studienfächern in Deutschland – stellen wir die folgenden Fragen: Welche Auswirkungen haben Erfolg und Misserfolg bei der Studienplatzbewerbung auf meritokratische Einstellungen und individuelle Entscheidungen, wie beispielsweise eine erneute Bewerbung? Erzeugen Erfolgs- und Misserfolgserfahrungen motivierte Erwartungen, zum Beispiel über die Effizienz oder Fairness des Auswahlverfahrens? Wie ausschlaggebend sind diese für individuelle Entscheidungen? Inwiefern bestehen für motivierte Erwartungen und den Zusammenhang von Bewerbungserfolg, Erwartungen und Bildungsentscheidungen Unterschiede zwischen sozialen Gruppen?

Durch diese Fragestellungen verbindet das Brückenprojekt die empirische Untersuchung von Zulassungsprozessen zum Studium mit den allgemeinen theoretischen und konzeptionellen Fragen danach, wie Menschen (motivierte) Erwartungen und meritokratische Überzeugungen bilden und wie sich diese in (sozialgruppenspezifische) Bildungsentscheidungen übersetzen. Damit leisten wir innovative, durch einen interdisziplinären Ansatz geprägte Beiträge zur bildungssoziologischen Forschung zu Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit sowie zur verhaltensökonomischen Diskussion über "motivated reasoning".