Ampel Werkstatt Wahlen
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Die Dynamiken der Ampelkoalition auf Facebook

In zwei Tagen findet die Bundestagswahl statt. Eine Wahl, die nötig wurde, weil die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP auseinandergebrochen ist, eine Koalition, die vor etwas mehr als drei Jahren mit viel positivem Schwung als Zukunftskoalition gestartet war. Sie hatte mit Hilfe einiger auf Social Media verbreiteter Selfies bewusst das Image gesetzt, dass da Parteien zusammenkommen, die nicht nur inhaltlich einiges gemeinsam vorhaben, sondern die auch menschlich gut miteinander können. Ein paar Jahre später ist nichts mehr übrig von dieser Anfangseuphorie und das gute Miteinander hat unter der gemeinsamen Regierungszeit stark gelitten. Wie spiegeln sich diese Ampeldynamiken im Umgang der Parteien miteinander auf Social Media wieder? Wir schauen uns an, wie die Abgeordneten von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP in den Jahren der Regierungszusammenarbeit auf Facebook agiert haben, mit welchen Themen sie punkten konnten und vor allem, wie sie dabei aufeinander Bezug genommen haben.

Dafür haben wir alle öffentlichen Facebook-Posts der drei Ampelparteien gesammelt, die zwischen dem 8. Dezember 2021, dem offiziellen Beginn der Ampelregierung, und dem 30. Juni 2024 auf einem der Accounts ihrer Abgeordneten veröffentlicht worden sind. Insgesamt haben wir Daten aus den Accounts von 190 SPD Abgeordneten, 80 FDP Abgeordneten und 76 Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen gesammelt. Die Anzahl der veröffentlichten Posts auf den einzelnen Accounts variiert stark. Der Account mit den wenigsten Posts hat gerade mal drei, der mit den meisten fast 3000.

Agenda-Setting in der Koalition

Die sozialen Medien sind zu einem wichtigen Ort des Austauschs zwischen Bürger*innen und Parteien geworden. Fast alle Abgeordneten besitzen Accounts auf wichtigen Social Media Kanälen, wo sie Informationen über ihre Arbeit teilen, Reaktionen von ihren Wähler*innen erhalten und oft enorme Reichweiten, vorbei an jedweder redaktionellen Kontrolle, erlangen. Das heißt, niemand anderes, außer die Abgeordneten und ihr Team selbst, können entscheiden, was, wann und wie sie sich äußern. Entsprechend nutzen die Abgeordneten ihre Social-Media-Kanäle öffentlich für ein Sammelsurium unterschiedlicher Nachrichten von sehr persönlichen Posts wie dem gemeinsamen Essen mit der Tochter bis hin zu politischen Aussagen über zum Beispiel im Parlament verhandelte Themen, mit denen  sie klare politische Nachrichten an ihre Wähler*innen senden. Sie vermitteln ihnen, für welche Themen sie sich besonders einsetzen. In der Politikwissenschaft nennen wir das Salienz, also die Bedeutung, die eine Partei einem Thema schenkt.

Welche Themen wichtig sind und welche nicht

Welchem Thema eine Partei Bedeutung gibt und welches Thema sie links liegen lässt, ist ein Teil des Politikangebots der Parteien und eine wichtige Information für die Bürger*innen. Anders als in Wahlprogrammen, in denen Parteien ganz alleine die Agenda bestimmen können, ist die öffentliche Debatte, die sich auch auf Social Media spiegelt, von einer Themenkonjuktur geprägt. Parteien agieren hier oft reaktiv, statt eigene Themen zu setzen. Vor diesem Hintergrund schauen wir uns an, wie gut es den Ampelparteien gelungen ist, eigene Schwerpunkte zu setzen bzw. wie sehr sich ihre Agenden durch die gemeinsame Regierungsarbeit angepasst haben.

Um das zu untersuchen, haben wir jeden Post der Abgeordneten mit Hilfe eines im Rahmen des Manifesto-Projekts entwickelten automatisierten Klassifizierungsmodells einem Thema zugeordnet. Insgesamt haben wir zwischen 56 Themen unterschieden. Zunächst sticht ein Phänomen ins Auge. Die größte Anzahl Posts fällt bei allen drei Parteien in die Kategorie politische Führungskompetenz (Abbildung 1). Diese Posts betonen, warum man selbst oder die eigene Partei besonders geeignet ist zu regieren, und sie sprechen andererseits der politischen Gegenseite diese Kompetenz ab. Hier ein Beispiel: „Vielen Dank für euer Vertrauen! Mit eurer Zustimmung von 95% der Stimmen wurde ich als Kandidat des Direktwahlkreises Aachen I gewählt. [...]” Es sind also keine inhaltlichen Aussagen, sondern reine Aussagen über Führungskompetenz und Gestaltungswillen. Der Anteil solcher Posts macht bei den Abgeordneten der Ampelparteien zwischen 15 und 25 Prozent aus. Es ist damit bei allen drei Parteien die am häufigsten vorkommende Kategorie – ein Phänomen, das sicherlich auch auf die Funktionsweise von sozialen Medien zurückzuführen ist, wo Selbstdarstellung und Präsentation von "Stärke" im politischen Kontext häufig vor inhaltlicher Auseinandersetzung oder echtem Austausch kommen. Dass sich die Parteien hier ähneln, sagt daher aber auch noch nichts über die inhaltliche Themensetzung der Parteien aus.

Dafür lohnt ein Blick auf die Themen, die in ihrer Bedeutung nachfolgen. Auch hier fällt auf, dass eine relativ hohe Übereinstimmung zwischen den Parteien besteht. Die Top 2 bis 6 Themen von FDP und Grünen sind exakt deckungsgleich. Die SPD weicht zwar bei zwei Themen ab, aber auch hier ist die Überschneidung relativ hoch. Hier spiegelt sich, dass man gemeinsam in einer Regierung ist und so auch gemeinsam Themen setzt: durch Gesetze, die man einbringt, Debatten, die man anstößt.

Welche Schwerpunkte die Parteien in den Posts setzen

Bedeutet das im Umkehrschluss auch, dass die Parteien nicht mehr unterscheidbar sind und ihr eigenes Profil nicht mehr erkennbar ist? Das ist nicht der Fall, denn auch wenn große Übereinstimmung über die grundsätzliche thematische Linie zu herrschen scheint, so setzen die Parteien doch noch deutlich ihre eigenen Schwerpunkte. Sowohl bei Bündnis 90/Die Grünen als auch bei der FDP gibt es jeweils ein inhaltliches Thema, dass sich deutlich von den anderen abhebt. Bei den Grünen ist es die Umweltpolitik, bei der FDP Technologie und Infrastruktur. Das sind Themen, die eng mit der Parteiideologie verknüpft sind. Die Verbindung zwischen Grünen und Umweltpolitik braucht wohl keiner weiteren Erklärung. Aber auch Technologie und Infrastruktur ist ein klassisches FDP-Thema, das auch in ihren Wahlprogrammen traditionell eine wichtige Rolle spielt. Für die FDP ist das Thema zentral, denn die Wirtschaft braucht eine gut funktionierende Infrastruktur, um prosperieren zu können. Die SPD dagegen hebt sich mit zwei Themen von den anderen Parteien ab, die bei den anderen gar nicht unter die Top 6 fallen: Sozialstaatsausbau und Kultur. Ersteres steht klar in der sozialdemokratischen Tradition. Das zweite dagegen ist, so wie die Parteien es auf Facebook verwenden, kein inhaltliches Thema, weil es vor allem Posts umfasst, die Abgeordnete vom Besuch von Sport-, Kultur- und Volksfesten in ihrem Wahlkreis senden.

Wo dagegen viel Einigkeit zu bestehen scheint, ist beim Thema internationale Zusammenarbeit. Auch wenn es bei der SPD nicht unter die TOP 6 fällt, schenken alle drei Parteien dem Thema ungefähr das gleiche Maß an Aufmerksamkeit. Dies ist eine direkte Folge des Krieges in der Ukraine. Traditionell gehört es bei keiner der Parteien zu den Kernthemen, aber hier wurde die Agenda eindeutig von den äußeren Umständen gesetzt. Schließlich sticht auch noch die vergleichsweise hohe Salienz des Themas Demokratie über die Parteigrenzen ins Auge. Auch das ist sicherlich zu großem Maß äußeren Umständen geschuldet: Im Angesicht erstarkender anti-demokratischer Kräfte rücken alle Parteien demokratische Werte wieder mehr in den Fokus.

Haben die Parteien mit ihrer Themensetzung Erfolg?

Das Besondere an Social Media ist, dass die Parteien die Kanäle nicht nur nutzen können, um ihre Themen in die Welt zu bringen, sondern sie bekommen auch direktes Feedback von ihrer Community. Diese ist zwar nicht deckungsgleich mit der Gesellschaft, aber die Abgeordneten erhalten erste Rückmeldungen, was auf fruchtbaren Boden fällt, und was wenig Interesse weckt. Wie viel Zustimmung erhalten die Abgeordneten also auf ihre Äußerungen? Zunächst lässt sich festhalten, dass die Anzahl der Likes stark zwischen Parteien variiert. Die drei Herausfordererparteien Die Linke, AfD und das BSW sind den anderen Parteien hier deutlich überlegen. Sie erhalten im Durchschnitt zwischen fast 150 (Die Linke) und über 3000 (BSW) Likes pro Post. Bei den Ampelparteien dagegen liegt die durchschnittliche Anzahl Likes dagegen nur zwischen knapp 45 (SPD) und knapp über 60 (FDP). Die eher unpolitischen Posts, die wir hier unter dem Thema politische Führungskompetenz gefasst haben, scheinen relativ gut zu funktionieren. Die Zahlen neben den Balken in Abbildung 1 geben das Verhältnis der durchschnittlichen Anzahl Likes auf einen Post zu diesem Thema versus der durchschnittlichen Anzahl Likes aller Posts der Partei an. Zahlen größer als eins zeigen somit an, dass die Partei auf Posts zu diesem Thema im Durchschnitt mehr Likes generiert. Zahlen kleiner eins zeigen an, dass Posts zu diesem Thema im Durchschnitt weniger Likes generieren. Anhand der Zahlen sehen wir, dass die Parteien für Posts zu politischer Führungskompetenz im Durchschnitt mehr Likes generieren als mit anderen Posts. Am deutlichsten ist das bei der FDP. Bei ihr fällt auf, dass keines ihrer anderen Top-Themen viele Likes erzeugt. Etwas besser sieht es bei SPD und Bündnis 90/Die Grünen aus. Mit ihrem Kernthema der Umweltpolitik erhalten die Grünen zwar im Schnitt auch wenige Likes, aber zumindest mit den Themen Gleichheit und internationale Zusammenarbeit können die Abgeordneten ganz gut in ihrer Facebook-Community punkten. Das Kernthema der SPD, der Sozialstaatsausbau, scheint ebenfalls auf verhältnismäßig viel positive Resonanz zu stoßen. Ähnliches gilt für das Thema Kultur. Allerdings handelt hier, wie oben bereits beschrieben, um eher unpolitische Posts.

Welche Bezüge stellen die Parteien zueinander her?

Vor allem in den fortschreitenden Konflikten der Ampel wurden immer wieder Kompentenzstreitigkeiten sichtbar. Aus diesem Grund untersuchen wir im nächsten Schritt, in welchem Zusammenhang die Ampelparteien sich selbst referenzieren und Referenzen zu  anderen beiden Parteien auf Facebook herstellen. Dabei beachten wir nicht nur die Nennungen einer Partei, sondern auch des führenden Personals. In Kombination mit den verschiedenen Themen können wir so einen Einblick bekommen, wie SPD, Grüne und FDP sich innerhalb verschiedener Bereiche positionieren oder auch ihre Ampelpartner verorten.

Mit Blick auf die häufig betonte politische Führungskompetenz zeigt sich, dass sich das Parteipersonal häufig selbst in Szene setzt. Um das zu verdeutlichen, haben wir zwei unterschiedliche Werte berechnet. Zum einen blicken wir auf den Anteil innerhalb eines Themas mit dem Parteien sich selbst oder andere Parteien nennen. Zum anderen beziehen wir einen Koeffizienten ein, der ausdrückt ob die Nennung einer Partei innerhalb eines Themas über- oder unterdurchschnittlich im Vergleich zu Nennung dieser Partei über alle Themen hinweg erfolgt, dieser Wert ist auch in den farbigen Punkten in Abbildung 2 zu sehen, wo jede Spalte eine postende Partei darstellt und jeder Punkt innerhalb eines Themas, je nach Farbe, die genannte Partei. So sehen wir, dass der Anteil der Verbindung des Themas politische Führungskompetenz mit der eigenen Partei oder ihrem Spitzenpersonal überall größer ist als der mit anderen Parteien. Ein deutlicher Unterschied zeigt sich jedoch mit Bezug auf die Nennung der SPD. Während die Partei selbst sich in über 87 Prozent aller Posts dieses Themas selbst referenziert, sind es bei Bündnis 90/Die Grünen (42 Prozent) und der FDP (47 Prozent) deutlich weniger, weil beide auch die SPD stärker in diesem Zusammenhang nennen. Das ist ein Effekt, der wahrscheinlich auch auf die Kanzlerschaft in Händen der SPD zurückzuführen ist. Führungskompetenz wurde häufig mit Olaf Scholz und seiner Partei verknüpft. Auch für die anderen Themen zeigt sich, dass – in absoluten Zahlen, also im Vergleich, wie viele Posts innerhalb des Themas auf eine der drei Parteien eingehen – häufig die Nennung der eigenen Partei dominiert, vor allem bei der SPD. Sie rückt alle angesprochenen Themen, auch solche, die traditionell eher den Grünen oder der FDP zugeordnet werden, oft in ihre Nähe. Einen von zwei Ausreißern bildet das Thema Technologie und Infrastruktur, das die Partei immerhin in 37 Prozent aller Fälle, in denen auch eine weitere Partei genannt wird, mit der FDP verbindet. Der Blick in die Abbildung 2 weist einen klaren positiven Wert für Nennungen der FDP durch die SPD, was die Salienz dieser Verbindung in Relation zu den Erwähnungen der FDP durch die SPD über alle Themen hinweg verdeutlicht und zeigt, dass sie hier über 20 Prozent häufiger genannt wird. In etwas geringerem Maße trifft dies auch auf die Grünen zu: Die SPD bringt – obwohl sie sich in absoluten Zahlen überwiegend selbst bei diesen Themen verortet – auch Verbindungen der Grünen zu Umweltpolitik und internationaler Zusammenarbeit verstärkt auf. Die grünen Punkte im Abschnitt der SPD in Abbildung 2 (ganz rechts) zeigen, dass diese Themen, im Vergleich zur Nennung der Grünen im Zusammenhang aller Themen, wahrscheinlicher mit dieser Partei auf Facebook in Verbindung gebracht werden. Für beide Themen ist das sinnvoll. Umweltpolitik ist für die Partei ein grundlegendes Thema; internationale Zusammenarbeit ist mit Annalena Baerbock als Außenministerin ebenfalls stark besetzt.

Die anderen beiden Ampelparteien weisen ebenfalls gegenseitige Bezüge auf. Die Grünen nennen im Zuge von Infrastrukturaspekten die FDP am häufigsten, auch der entsprechende gelbe Punkt in Abbildung 2 zeigt an, wie überdurchschnittlich oft hier ein Zusammenhang geschaffen wird. Auffallend ist außerdem, dass sie ihr Kernthema Umweltschutz – obwohl sie sich selbst am meisten damit in Verbindung bringen (in 53 Prozent  aller Verknüpfungen der Thematik mit einer Partei) –  auch oft im Zusammenhang mit der FDP ansprechen. Im Gegenzug sehen wir ein ähnliches Muster auch bei der FDP. Hier wird Umweltpolitik am häufigsten im Zusammenhang mit den Grünen thematisiert, über 15 Prozent häufiger als mit anderen Themen wird sie damit in Verbindung gebracht. Andere Bereiche wie beispielsweise das Kernthema der Liberalen Technologie und Infrastruktur werden weniger oft mit anderen Parteien verknüpft. Internationale Zusammenarbeit wird leicht stärker mit SPD und Grünen verbunden, ebenso das Thema Sozialstaatausbau.

Wie die Parteien übereinander sprechen

Die vorangegangenen Analysen liefern Aufschluss, wie sich die Parteien thematisch auf Facebook positionieren und damit auch gewisse Aspekte mit sich und/oder ihren Koalitionspartnern in Verbindung bringen. Dies ist zentral im Sinne von Agenda Settings und Issue Ownerships, also dem Setzen einer Themenagenda und der Betonung von Aspekten, die die Partei für sich „beansprucht“ und womit ihr Kompetenzen zugerechnet werden. Jedoch können die bisherigen Schritte wenig Erklärung über die Qualität dieses Zusammenhangs liefern. Als letzten Punkt beziehen wir deshalb eine Messung ein, die die Tonalität eines Posts bestimmt. Aus der Forschung zu politischer Kommunikation wissen wir bereits, dass Negativität, also die Betonung besonders negativer Aspekte, die meisten Interaktionen von Nutzerinnen und Nutzern und somit entsprechende Reichweite auf sozialen Medien einbringt. Dementsprechend sehen wir auch in den Facebook-Daten der Abgeordneten, dass Posts mit einer Tonalität unterhalb des Mittelwerts 65 Prozent mehr Likes bekommen als solche, die positiver als der Durchschnitt sind. Es scheint also einen gewissen Anreiz für politische Akteurinnen und Akteure zu geben, sich eher negativ zu äußern.

Zoomen wir nun hinein auf die Kombination der besprochenen Themen und Nennungen der eigenen oder anderer Parteien, kann die Tonalität einen Eindruck vermitteln, ob eine positive oder negative Verbindung von Partei und Thema suggeriert wird. Diese kann beispielsweise sowohl durch die kritische oder die positive Auseinandersetzung mit einem Thema in Verbindung mit einer Partei entstehen, als auch durch Vorwürfe oder Lob an eine konkrete Partei im Zusammenhang mit einem (gegebenenfalls neutralen) Thema. Auch Mischformen sind denkbar, in allen Fällen wird jedoch ein eindeutig konnotierter Zusammenhang zwischen Partei und Thematik geschaffen. Bezogen auf die Top-Themen der Parteien auf Facebook sehen wir, dass die Tonalität bei der politischen Führungskompetenz negativer ausfällt, wenn andere Parteien genannt sind. Diese Diskrepanz ist interessanterweise am größten, wenn die FDP in diesem Zusammenhang über die Grünen spricht, sowie vice versa. Hier zeigt sich, dass Vertrauen verloren gegangen ist und der anderen Seite Kompetenz abgesprochen wird. Nennungen der SPD im Zusammenhang mit politischer Führungskompetenz haben bei beiden Parteien im Durchschnitt eine leicht positivere Konnotation, auch wenn die Tonalität im Verhältnis zu Posts, in denen die SPD nicht genannt wird, dennoch negativer ist. Besonders die gegenseitige negative Referenz ist ein Hinweis darauf, dass Konfliktlinien bezüglich politischer Führungskompetenz – was die Tonalität betrifft –  am deutlichsten zwischen den Grünen und der FDP zu sehen waren. Der Blick in die weiteren wichtigen Themen für die Parteien verrät, dass das Muster, andere Parteien in einem negativeren Licht mit einem Thema in Verbindung zu bringen, sich durchzieht. Im Bereich Sozialstaatausbau wählt die SPD häufig einen negativen Ton, wenn sie in diesem Zusammenhang über die FDP spricht. Hier spiegelt sich deutlich die Uneinigkeit der Ampel im Spannungsfeld zwischen Sozialausgaben und Einsparmaßnahmen. Umgekehrt schlägt auch die FDP einen negativeren Ton an, wenn sie diese Thematik im Zusammenhang mit der SPD anspricht. Beim Kernthema der Grünen, der Umweltpolitik, zeigt sich, dass die Partei selbst eine klar positive Besetzung dieses Bereichs anstrebt. Die anderen Ampelpartner hingegen werden in einem stärker negativen Zusammenhang genannt, vor allem die FDP. Auch hier spiegelt sich das Bild, denn auch die FDP ist in diesem Themengebiet schlechter auf die Grünen zu sprechen. Die SPD ist von dieser Dynamik nicht so stark betroffen. Auch wenn sie selbst über das Thema spricht, ist die Diskrepanz, was die Tonalität angeht, nicht so groß bei der Nennung anderer Parteien. Genau wie bei der Sozialpolitik zeigt sich auch hier deutlich ein Graben in der Ampeldynamik; die Konfliktlinien verlaufen zwischen den Grünen und der FDP . Eines der wichtigsten Themen für die FDP ist schließlich die Infrastruktur. Hier zeichnet sich ein leicht anderes Bild ab. Die Tonalität mit der SPD und Grüne im Zusammenhang mit dieser Thematik über die FDP sprechen, lässt weniger Schlüsse auf Angriffe zu; die Differenz in der Tonalität ist gering. Die FDP hingegen positioniert sich hier deutlicher. Spricht sie im Zusammenhang Infrastruktur auch über die die Grünen, dann mit deutlich negativerer Tonalität. Die SPD trifft das in geringerem Maße. Der Unterschied in der Tonalität ist zwischen Posts, die die SPD erwähnen und jenen, die das nicht tun, ist deutlich kleiner.

Mehr Abgrenzung als Nähe

Was zeigt unsere Analyse über die Ampeldynamik? Zunächst sehen wir, dass die Parteien trotz der gemeinsamen Regierungspolitik eigene inhaltliche Schwerpunkte gesetzt haben. Sie waren also von Anfang an bemüht, auch in der Regierungskoalition ein eigenes Profil zu bewahren. Interessanterweise konnten sie damit aber nicht besonders gut bei ihrer Community auf Facebook landen. Das steht in leichtem Widerspruch zur issue-ownership-Theorie, die davon ausgeht, dass Themen eindeutig mit Parteien verknüpft sind und dass es vor allem die Partei, die ein Thema „besitzt“, mit diesem Thema punkten kann. Das scheint bei den Ampelparteien nicht aufgegangen zu sein. Möglicherweise zeigt das: Den Parteien in der Koalition wurde nicht wirklich geglaubt , dass sie in diesem Bereich tatsächlich Fortschritt erreichen werden. Indirekt zeigt sich das vermeintlich auch in der negativen Tonalität, mit der über Koalitionspartner, vor allem auch im Verhältnis zu den eigenen Kernthemen, gesprochen wurde. Hier spiegelt sich womöglich der Versuch, den nicht erreichten und von den Anhängern gewünschten Fortschritt auf den Koalitionspartner zu schieben. Eine Dynamik, die allerdings vor allem zwischen den Grünen und der FDP ausgeprägt war und weniger stark in Bezug auf die SPD. Insgesamt deuten die Ergebnisse an, dass die anfängliche Euphorie der Ampel relativ schnell verflogen war. Es wurden zwar durchaus viele Bezüge zu den Koalitionspartnern gemacht, allerdings meist eher mit negativer Tonalität – das gipfelte im vorzeitigen Ende der Koalition.