EU Sterne auf Globus
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Wie die EU in der internationalen Ordnung wahrgenommen wird

Ein globaler Akteur?

Die Europäische Union nimmt in der Weltordnung eine besondere, in vielerlei Hinsicht widersprüchliche Rolle ein. Sie hat mehr politische Kompetenzen als jede andere supranationale Organisation der Welt. Sie ist der nach China und den USA drittgrößte Markt der Welt. Und sie stellt sich gerne als wichtige globale Akteurin dar. Aber wird sie von Drittstaaten auch als solche anerkannt? Diese Außenwahrnehmung hat WZB-Forscher Christian Rauh in einer jetzt veröffentlichten Studie untersucht.

Es mangelt der EU zwar nicht an Ambitionen, die Welt um sie herum zu formen, aber diesen Ambitionen stehen Hindernisse im Inneren und Äußeren entgegen, macht Christian Rauh deutlich. Intern beharren die EU-Mitgliedstaaten auf ihren Vetorechten in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik, was klare gemeinsame außenpolitische Entscheidungen oft ausbremst. Von außen betrachtet wirkt die EU zudem mit ihrem komplexen Geflecht aus nationalen und europäischen Zuständigkeiten oft wie ein politisches Mischwesen in einer Weltordnung, in der wieder einzelne Staaten um Macht und Einfluss ringen. Diese Wahrnehmung hat Einfluss auf die globale Rolle der EU.

Eine gerade veröffentliche Studie von Christian Rauh analysiert den Blick von außen auf die EU anhand der fast 8.500 Reden der UN-Generaldebatten zwischen 1985 und 2020. In diesem Forum legen Vertreter*innen nahezu aller Staaten jährlich ihre Sichtweise auf die aktuelle Weltordnung dar. Mit speziell entwickelten Verfahren der computergestützten Sprachverarbeitung ermittelt Rauh, wie oft und von welchen Staaten die EU explizit als handelnde Akteurin benannt wird und in welchen Zusammenhängen das geschieht.

Die Anerkennung als Wirtschaftsraum dominiert

Die Muster sind ernüchternd: Zwar hat die explizite Anerkennung der EU als Akteurin seit den 1990er-Jahren deutlich zugenommen, sie liegt heute über dem Niveau vieler anderer internationaler Organisationen und auch vieler Staaten. Doch dieser Trend geht größtenteils auf Beiträge von EU-Mitgliedstaaten selbst zurück. Staaten außerhalb Europas sprechen der EU erheblich seltener eine eigenständige Rolle als globale Akteurin zu – insbesondere dann, wenn sie autoritär regiert werden oder in wirtschaftlicher Konkurrenz zur EU stehen. In den jährlichen Reden chinesischer oder US-amerikanischer Vertreter über die letzten Jahrzehnte etwa wird die EU so gut wie gar nicht mit expliziten Handlungen in Verbindung gebracht. Wenn überhaupt, kommt die Anerkennung der EU als globale Akteurin hauptsächlich von Drittstaaten, die geografische Nachbarn der EU oder handelspolitisch stark von ihr abhängig sind. Entgegen ihrem normativen Anspruch wird die EU zudem vor allem in wirtschaftspolitischen Zusammenhängen und weniger in sicherheitspolitischen oder werteorientierten Statements als Akteurin benannt.

Diese rhetorischen Muster zeigen also eine deutliche Diskrepanz zwischen dem Selbstbild der EU und ihrer Resonanz im globalen politischen Diskurs. Ob und von wem sie als globale Akteurin bewusst anerkannt wird, ist eng mit ihrer Wirtschafts- und Nachbarschaftspolitik verknüpft, wird aber strukturell von den oft konträren Interessen Dritter beschränkt, mit denen die Union strategisch umgehen muss.

1.10.25/kes