Zivilgesellschaftliches Engagement in Krisenzeiten: Handlungsfelder, Determinanten, Konsequenzen
Call for Abstracts zur Tagung
Tagungsthema
Die Welt scheint in einen dauerhaften Krisenmodus zu wechseln. Klimawandel, Naturkatastrophen, Pandemien, neue Kriege und eskalierende Konflikte, weltweite Migrationsbewegungen und die daraus sich ergebenden sozialen und ökonomischen Veränderungen und Herausforderungen setzen (national-)staatliches Handeln unter Druck und bringen dessen Handlungsfähigkeit teilweise an seine Grenzen. Gerade in solchen krisenhaften Zeiten kann zivilgesellschaftliches Handeln und bürgerschaftliches Engagement ein Substitut staatlicher Leistungen sein, aber diese auch in wichtiger Art und Weise ergänzen bzw. herausfordern. Es gibt eine Reihe von Beispielen aus den letzten Jahren, die zeigen, dass die Zivilgesellschaft deutlich schneller und zielgerichteter in Krisensituationen reagieren kann, Missstände benennt und zu deren Bewältigung beiträgt als dies für staatliche Organe gilt – etwa bei plötzlichen Fluchtbewegungen (Ukraine-Krieg) oder Naturkatastrophen (Ahrweiler Hochwasser). Die Fähigkeit einer Gesellschaft auf Krisenphänomene reagieren zu können, hängt deshalb auch von ihren zivilgesellschaftlichen Strukturen und der Bereitschaft zum freiwilligen Engagement ihrer Mitglieder ab.
Die Entwicklungen der letzten fünfzehn Jahre haben gezeigt, dass die Frage, ob und unter welchen Bedingungen die Zivilgesellschaft den an sie gerichteten normativen Erwartungen gerecht werden kann, neu gestellt werden muss. Dabei müssen mindestens drei Aspekte der Zivilgesellschaft im Krisenmodus beachtet werden: (1) Die Zivilgesellschaft und freiwilliges Engagement leisten einen unerlässlichen Beitrag zur Krisenbewältigung, weil damit oftmals schnellere und zielgerichtete Reaktionen möglich sind als dies durch staatliche Organe möglich ist; (2) die jüngsten Krisen beschleunigen gleichzeitig den Wandel in der Zivilgesellschaft selbst, auch deshalb, weil sie das Potential haben, sowohl auf der strukturellen als auch auf der Ebene politischer Diskurse Polarisierungen und Heterogenisierung voranzutreiben; (3) die Folgen des Wandels sind ambivalent im Hinblick auf den Beitrag, den die Zivilgesellschaft letztlich zum demokratischen Gemeinwesen und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu leisten vermag.
Um Einschätzungen zur gesellschaftlichen Resilienz gegenüber Krisen evidenzbasiert ableiten und die gesellschaftlichen Steuerungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten benennen zu können, ist es deshalb notwendig die zivilgesellschaftlichen Akteure, Strukturen und Dynamiken (Meso-Ebene) aber auch die individuellen Motive und Bedingungen gesellschaftlichen Engagements (Mikro-Ebene) mit dem theoretischen und methodischen Instrumentarium der Sozialwissenschaften zu untersuchen. Dies kann grundsätzlich auf zwei Ebenen geschehen: Zum einen auf der gesellschaftlichen Meso-Ebene, indem die Vergesellschaftungsformen zivilgesellschaftlichen Engagements untersucht werden und zum anderen auf der Mikro-Ebene, indem die individuellen Motive, Bedingungen und Folgen individuellen Engagements in den Blick genommen werden. Beide Forschungslinien haben in Deutschland (und auch international) eine lange Tradition, stehen jedoch in bemerkenswerter Weise wenig im direkten Austausch, integrative Forschungsansätze finden sich bislang wenig. Die Trennung der Perspektiven ist zwar analytisch sinnvoll, ihre Zusammenführung ist jedoch naheliegend, weil letztlich beide Ebenen zusammengedacht werden müssen, wenn es um den Beitrag der Zivilgesellschaft für die Resilienz gesellschaftlicher Ordnungen gegenüber den eingangs erwähnten Krisenphänomenen geht.
Die Tagung dient dazu, die beiden skizzierten Perspektiven der Meso- und Mikro-Ebene mit Blick auf zivilgesellschaftliches Engagement stärker miteinander zu verzahnen, die im Feld verfügbaren Forschungsdaten systematisch sichtbar zu machen und damit zum Aufbau eines nationalen Forschungsnetzwerks beizutragen. Deshalb ist es auch zentrales Ziel, Forschende aus unterschiedlichen Phasen des wissenschaftlichen Karriereverlaufs zusammenzuführen. Dies soll sich auch in einer gemeinsamen Publikation (Details unter Konferenzpublikation) manifestieren.
Vor diesem Hintergrund laden wir zu Einreichungen von Vortragsvorschlägen unter den folgenden
Modalitäten ein:
Länge der Abstracts: max. 250 Wörter
Deadline für Einreichungen: 06.10.2024 (an: tobias.wolbring [at] fau.de)
Rückmeldung zu den Abstracts: 15.10.2024
Nach Annahme des Abstracts wird von allen Vortragenden die Einreichung eines mindestens 8- seitigen Konferenzpapiers erwartet, das dann in einem ca. 15-minütigen Vortrag vorgestellt wird.
Tagung: 21.11.24, ab ca. 13:00 bis 22.11.24, bis ca. 16:00
Tagungssprache ist Deutsch, aber Beiträge in englischer Sprache sind möglich.
Die Tagung wird durch die Fritz-Thyssen-Stiftung gefördert; im Rahmen der Richtlinien der Stiftung und den Abrechnungsmodalitäten an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg können Reise- und Verpflegungskosten für Vortragende übernommen werden. Konferenzpublikation: Bei der Tagung handelt es sich gleichzeitig um eine Veranstaltung zum 75. Jubiläum der Zeitschrift Soziale Welt. Ein Sonderheft in der Zeitschrift soll als Kristallisationspunkt und als Mittel dazu dienen, um den in diesem Forschungsfeld aktuell bestehenden Forschungsstand sichtbar zu machen. Die Beiträge, die am vielversprechendsten bewertet werden, werden für eine Publikation in dem Sonderheft der Sozialen Welt nominiert und eingeladen, dort aber auch nochmal in einem doppelblinden Verfahren begutachtet. Möglich sind Beiträge in deutscher oder englischer Sprache.