Bildungsungleichheit: Eine Frage der Anstrengung?
Fähigkeit und Anstrengung: Nach gängiger Sicht sind dies die beiden ausschlaggebenden Faktoren für den individuellen Bildungserfolg. Doch während kognitive Fähigkeiten bekanntlich stark von der sozialen Herkunft und der Genetik abhängen, liegt die Anstrengungsbereitschaft vermeintlich in der Hand jedes einzelnen Kindes. Inwieweit jedoch selbst die Anstrengung vom familiären Hintergrund beeinflusst wird, ist nicht ausreichend erforscht. Besonders zur Arbeitseinstellung von Kindern aus benachteiligten Verhältnissen gibt es viele Vorurteile. Vor diesem Hintergrund ist ein wissenschaftlich fundiertes Verständnis der Erklärungsfaktoren von kognitiver Anstrengung essenziell für Pädagog*innenen, Schulverwaltungen und politische Entscheidungsträger*innen, die Lernergebnisse verbessern und gleichzeitig Ungleichheiten abbauen möchten.
Diesem Themenkomplex widmet sich eine zweiteilige virtuelle Veranstaltung des WZB, die an die Veranstaltungsreihe „Steuerung auf dem Prüfstand“ anknüpft.
Im ersten Teil (04.10.2023) stellte Prof. Dr. Jonas Radl (Universidad Carlos III de Madrid, WZB) die Kernergebnisse des EFFORT-Projekts vor. In diesem vom europäischen Forschungsrat (ERC) finanzierten interdisziplinären Forschungsprojekt wurden erstmals systematisch Daten zur kognitiven Anstrengung von Fünftklässlern in Berlin und Madrid erhoben. Dr. Martina Diedrich (Direktorin des Instituts für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung der Hansestadt Hamburg) hat die Befunde kommentiert und mögliche Implikationen für die Bildungspraxis reflektiert. Von Dr. Benjamin Edelstein (WZB) wurde die Veranstaltung moderiert.
Im zweiten Teil (10.11.2023) sind mit Cordula Heckmann (ehem. Schulleiterin der Gemeinschaftsschule auf dem Campus Rütli, Berlin), Julia Vaccaro (Programmleitung des Hamburger Förderprogramms „23+ Starke Schulen“) und Dr. Melinda Erdmann (WZB) drei praxisnahe Expertinnen eingeladen, die Bedeutung der aus dem Forschungsprojekt gewonnenen Evidenz zu diskutieren. Relevante Aspekte betreffen etwa die pädagogische Arbeit, Schulentwicklungspraxis sowie die Ausgestaltung von Förder- und Fortbildungsprogrammen. Welche Implikationen haben die im EFFORT-Projekt offengelegten sozialen Unterschiede in der Anstrengung für diese Handlungsfelder? Welche über die Erkenntnisse des Forschungsprojekts hinausgehenden Wissensbedarfe lassen sich aus einer praxisbezogenen Perspektive ausmachen? Welche Schlussfolgerungen lassen sich ziehen hinsichtlich der Meritokratie und Chancengleichheit im deutschen Bildungssystem? Die Diskussionsrunde moderiert Prof. Dr. Heike Solga (WZB).
Die Veranstaltungen werden aufgezeichnet. Unsere Hinweise zum Datenschutz bei Foto- und Filmaufnahmen finden Sie hier.