Innovationen im Mittelstand unter Covid-19
Die Corona-Pandemie hatte in den Jahren 2020 und 2021 in vielen Ländern starke Auswirkungen auf das Leben der Menschen wie auf die wirtschaftliche Entwicklung (Brodeur et al. 2021, Bloom et al. 2022, Coad et al. 2022). In Deutschland gingen insbesondere zu Beginn der Pandemie starke Auswirkungen auf die Umsatzentwicklung der Unternehmen aus: 66 Prozent der mittelständischen Unternehmen mussten bis April 2020 pandemie-bedingt Umsatzeinbußen hinnehmen. Von anderen Auswirkungen der Pandemie bzw. deren Eindämmungsmaßnahmen, wie dem Ausfall von Mitarbeitern, Störungen der Lieferketten oder Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Hygienekonzepten, waren die Unternehmen mit Werten zwischen 26 und 13 Prozent deutlich seltener betroffen.
Dieser Beitrag untersucht, wie innovative mittelständische Unternehmen die Krise bewältigt haben. Dazu stützt sich die Analyse auf das KfW-Mittelstandspanel, einem großen, repräsentativen Längsschnittdatensatz für Unternehmen in Deutschland mit einem Jahresumsatz von bis zu 500 Mio. EUR, der jährlich erhoben wird. Um die Auswirkungen der Corona-Krise zeitnah verfolgen zu können, wurden in den Jahren 2020 und 2021 unterjährig zusätzlich sechs ergänzende Befragungen durchgeführt, die mit der Hauptbefragung des Jahres 2020 verknüpft und auf die Grundgesamtheit der mittelständischen Unternehmen hochgerechnet werden können.
COVID-19-Pandemie löste anfänglich einen Innovationsschub aus
Innovative mittelständische Unternehmen – wie auch andere Unternehmen am oberen Ende der Performance-Verteilung (Benedetti Fasil et al. 2021, Coad et al. 2022, Zimmermann und Köhler-Geib 2023) – wurden in Deutschland häufig durch die Corona-Pandemie in Mitleidenschaft gezogen worden. Mit einem Anteil von 77 Prozent waren Unternehmen, die in den Jahren vor der Pandemie technische Innovationen hervorgebracht haben, häufiger von Umsatzeinbußen betroffen als andere Unternehmen (62 Prozent). Jedoch fiel die Intensität der Betroffenheit mit Umsatzrückgängen von durchschnittlich 49 Prozent verglichen mit 55 Prozent (bezogen auf die Unternehmen mit Umsatzeinbußen) tendenziell eher etwas schwächer als in Unternehmen ohne Innovationen aus.
Die mittelständischen Unternehmen reagierten auf die Corona-Krise zunächst mit verstärkten Innovationsanstrengungen: Aufgrund der Krise führten bis Juni 2020 bereits 25 Prozent der Unternehmen technische Innovationen ein (Grafik 1). Vor dem Hintergrund, dass die Quote technischer Innovatoren im gesamten Dreijahreszeitraum 2016–2018 lediglich 19 Prozent betrug, ist dies ein beachtlicher Anteil. Die hohen Innovationsaktivitäten erfolgten aus dem Zwang heraus, schnell und flexibel auf Nachfragerückgänge, Lieferengpässe und weitere Einschränkungen durch die Pandemie sowie auf die Maßnahmen zur Pandemie-Eindämmung reagieren zu müssen. So wiesen Unternehmen mit Umsatzeinbußen mit Werten um 30 Prozent die höchsten Innovatorenquoten auf. Die Aussage „Not macht erfinderisch“ – die sich in Phasen einer normalen konjunkturellen Entwicklung häufig nicht bestätigen lässt – trifft in der Corona-Krise somit zu. Auch Unternehmen, die bereits vor Corona erfolgreich Innovationen hervorgebracht hatten, konnten häufiger kurzfristig mit Innovationen auf die Pandemie reagieren: Mit 29 Prozent lag der Innovatorenanteil in vormals innovativen Unternehmen deutlich über dem Durchschnitt aller Unternehmen. Er wurde lediglich von den Forschungs und Entwicklungs-treibenden Unternehmen mit 41 Prozent nochmals übertroffen (Zimmermann 2020). Dieser Befund unterstreicht, dass die Fähigkeit, sich gegebenenfalls kurzfristig an neue Marktgegebenheiten anzupassen, eine unternehmensspezifische Fähigkeit ist und eng mit dem Innovationspotenzial eines Unternehmens verknüpft ist: Gerade Unternehmen, die bereits vor der Pandemie erfolgreich Innovationen hervorgebracht haben und Unternehmen mit eingespielten Innovationsprozessen verfügen über ein solches Innovationspotenzial, das sie in einer Krise kurzfristig abrufen können.
Corona-bedingte Innovationen trugen zur Bewältigung der Krise bei
Trotz ihres kurzfristigen Charakters haben die zu Beginn der Pandemie – oftmals ad hoc – hervorgebrachten Innovationen zur Reduzierung der Umsatzeinbrüche in den betroffenen Unternehmen beigetragen. Unternehmen, die bis Juni 2020 Innovationen eingeführt haben, waren ab Herbst 2020 deutlich seltener von Umsatzeinbußen betroffen als Unternehmen ohne neu eingeführte Innovationen (Grafik 2): In den Befragungen im Herbst 2020 und Winter 2021 lag die Betroffenheit von Umsatzeinbußen bei diesen Unternehmen um 16 Prozent (September 2020) sowie um rund 24 Prozent (Januar 2021) niedriger als in den Unternehmen ohne Innovationen. Die Innovationstätigkeit zu Pandemiebeginn trug somit deutlich zu einer schnelleren Krisenbewältigung bei.
Grafik 1: Unternehmen mit technischen Innovationen zu Beginn der Corona-Pandemie
Anteile in Prozent
Grafik 2: Betroffenheit von Umsatzeinbrüchen im Verlauf der Corona-Pandemie
Relative Veränderung der Betroffenheit von Umsatzeinbußen ggü. April 2020 in Prozent
Im weiteren Fortgang der Pandemie näherten sich die Verläufe zwischen den innovativen und den nicht-innovativen Unternehmen wieder etwas an, ohne dass jedoch die Unternehmen ohne Innovationen zu den Innovativen aufschließen konnten. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass der Schub aus der erfolgreichen Innovationstätigkeit im Verlauf der Pandemie nachgelassen und ein Teil der anfänglich innovativen Unternehmen keine weiteren Innovationen vorgenommen hat (Zimmermann 2021a). Bis September 2021 nahm der Anteil der zu Krisenbeginn innovativen Unternehmen mit Umsatzeinbußen um 67 Prozent ab, während der Anteil bei den Unternehmen ohne Innovationen nur um 56 Prozent sank. Innovative Unternehmen haben sich somit bis Herbst 2021 deutlich häufiger erholt als nicht-innovative Unternehmen. Dies schlägt sich beispielsweise auch in der Bonitätsentwicklung dieser Unternehmen nieder: Innovative Unternehmen kamen bis Anfang 2022 mit einer nahezu unveränderten Bonität – und damit vergleichsweise besser als andere Unternehmen – durch die Pandemie (Zimmermann und Köhler-Geib 2023).
Nach anfänglichem Schub bremste die Pandemie die Innovationstätigkeit
Der anfängliche Innovationsschub setzte sich im weiteren Pandemieverlauf jedoch nicht fort. Bereits im September 2020 meldeten mit 25 Prozent mehr mittelständische Unternehmen eine Verringerung oder gar Einstellung ihrer Innovationsaktivitäten (inklusive Aktivitäten zum Hervorbringen von organisatorischen und Marketinginnovationen) als eine Steigerung oder (Wieder-)Aufnahme (10 Prozent) dieser im Vergleich zu Vorkisenzeiten. Unter dem Strich reduzierten im Verlauf der Pandemie also merklich mehr Mittelständler ihre Innovationsaktivitäten, als andere sie erhöhten (Grafik 3). Mit zunehmender Pandemiedauer setzte somit eine Abschwächung der Innovationsaktivtäten ein, die im konjunkturellen Abschwung oftmals beobachtet werden kann (Giebel und Kraft 2020, Zimmermann 2017). Nach der schnellen Krisenreaktion dürften dazu die angespannte Liquiditätssituation der Unternehmen und die Unsicherheit über die weitere Entwicklung beigetragen haben: So konnte beispielsweise ermittelt werden, dass vor allem Unternehmen, die noch im Winter 2020/2021 und Frühjahr 2021 stark von der Krise betroffen waren, über eine angespannte Liquiditätssituation berichteten oder mit einer langen Krisendauer rechneten, besonders häufig ihre Innovationsaktivitäten drosselten (Zimmermann 2021b). Erst in der Befragung im September 2021 überwog im Mittelstand erstmals der Anteil der Unternehmen, die angaben, ihre Innovationsaktivitäten ausgeweitet zu haben, gegenüber jenen mit zurückgefahrenen Innovationsaktivitäten. Innerhalb der Gruppe von Mittelständlern, die bereits vor der Pandemie erfolgreich Innovationen einführten, drosselten dagegen bis zum Frühjahr 2021 im Saldo deutlich weniger Unternehmen ihre Innovationsaktivitäten: Bereits in der Befragung im Mai 2021 hielten sich bei diesen Unternehmen jene mit Ausweitung gegenüber jenen mit Drosselung der Innovationsaktivitäten die Waage. Im September 2021 schließlich überwogen im Saldo die Unternehmen mit Ausweitung der Innovationsaktivitäten deutlich (+9 Saldenpunkte).
Grafik 3: Entwicklung der Innovationsaktivitäten ggü. Situation vor COVID-19
Anteile in Prozent
Fazit – Innovationsfähigkeit stärkt Krisenresilienz der betreffenden Unternehmen
Innovative mittelständische Unternehmen sind insgesamt besser durch die Corona-Pandemie gekommen. Zwar mussten innovative Unternehmen zu Beginn der Pandemie häufiger als andere Unternehmen Umsatzrückgänge hinnehmen, im weiteren Verlauf der Krise erholten sich die innovativen Unternehmen jedoch schneller von den Umsatzeinbußen als andere Unternehmen. Dazu trug bei, dass vor allem Unternehmen, die bereits vor der Corona-Pandemie erfolgreich Innovationen hervorgebracht hatten, schnell auf die pandemiebedingten Veränderungen reagieren und wenige Monate nach Ausbruch der Pandemie mit der Einführung von Innovationen gegensteuern konnten. Die zu Beginn der Pandemie eingeführten Innovationen trugen zur Bewältigung der Umsatzeinbußen in den betreffenden Unternehmen bei. Nicht zuletzt hatten bereits vor der Pandemie erfolgreiche Innovatoren ihre Innovationsanstrengungen in der Krise häufiger beibehalten oder sogar gesteigert als andere Unternehmen.
Die Innovationsfähigkeit dieser Unternehmen hat somit wesentlich zu ihrer Krisenresilienz beigetragen. Dazu war notwendig, dass Unternehmen ihre Handlungsmöglichkeiten identifizieren und bestehende Innovationschancen erfolgreich ergreifen. Diese Fähigkeit wird unter dem Stichwort „Opportunity Recognition“ mit besonderen Persönlichkeitszügen des Unternehmers oder der Unternehmerin, aber auch mit bestehenden Netzwerken und dem – als Institution – vorab erworbenen Wissen und erlangten Fähigkeiten in Zusammenhang gebracht (Ardichvili et al. 2003, Zouaghi et al. 2018). Die notwendigen Fähigkeiten sind für ein Unternehmen somit zu einem guten Anteil aktiv erlern- und ausbaubar. Wie die vorliegende Untersuchung zeigt, haben insbesondere vor der Pandemie innovative Unternehmen solche Fähigkeiten aufgebaut und erfolgreich eingesetzt.
Literatur
- Ardichvili, A.; Cardozo, R. und S. Ray. (2003), A theory of entrepreneurial opportunity identification and development, Journal of Business venturing, 18 (1), S. 105-123.
- Benedetti Fasil, C., Domnick, C., del Rio, J.-C., Fákó, P., Flachenecker, F., Gavigan, J. P., Janiri, M. L., Stamenov, B. und G. Testa (2021), High Growth Enterprises in the COVID-19 Crisis. Demographics, environmental innovations, digitalization,
- finance and policy measures, JRC Technical Report, EUR 30686 EN, Publications Office of the European Union, Luxembourg.
- Bloom, N.; Bunn, P.; Mizen, P.;Smietanka, P. und G. Thwaites (2022), The Impact of Covid-19 on Productivity, NBER Working Paper No. 28233.
- Brodeur, A., Clark, A.E., Fleche, S. und N. Powdthavee (2021), COVID-19, lockdowns and well-being: evidence from Google Trends. Journal of Public Economics 193 (2).
- Coad, A., Amaral-Garcia, S.; Bauer, P.; Domnick, C.; Harasztosi, P. und M. Teruel (2022), Investment expectations by vulnerable European firms: A difference-in-difference approach, EIB Working Papers, No. 2022/04, European Investment Bank (EIB), Luxembourg.
- Giebel, M. und Kraft, K. (2020), R&D Investments under Financing Constraints, ZEW Discussion Paper No. 20-018.
- Zimmermann, V. (2017) KfW-Innovationsbericht Mittelstand 2016: Innovationen konzentrieren sich auf immer weniger Unternehmen, KfW Research.
- Zimmermann, V. (2020), Innovationen in der Corona-Krise: Not macht erfinderisch, Fokus Volkswirtschaft Nr. 295,
- KfW Research.
- Zimmermann, V. (2021a), Corona-Krise belastet Innovationen, ambivalente Entwicklung bei der Digitalisierung, Fokus Volkswirtschaft Nr. 312, KfW Research.
- Zimmermann, V. (2021b), KfW-Innovationsbericht Mittelstand 2020: Corona-Krise bremst Innovationen im Mittelstand,
- KfW Research.
- Zimmermann, V. und Köhler-Geib, F. (2023), Betroffenheit und Erholung verschiedener Gruppen mittelständischer Unternehmen in Deutschland von den Auswirkungen der Corona-Pandemie, Studien und Materialien, KfW Research im Erscheinen.
- Zouaghi, F.; Sánchez, M. und M. G. Martínez, (2018): Did the global financial crisis impact firms' innovation performance? The role of internal and external knowledge capabilities in high and low tech industries, Technological Forecasting and Social Change, 132, S. 92–104.
16.10.2023