Eine (un)angenehme Vergangenheit? Gegenwärtige Nutzungen der Migrationsgeschichte

Abstract

Historiker zitieren oft den Satz „Alle Geschichte ist Zeitgeschichte“, um zu verdeutlichen, wie historische Erzählungen kontinuierlich umgestaltet werden, um aktuellen Agenden zu dienen. Dies zeigt sich besonders deutlich in den laufenden Debatten über Migration und Integration. Sowohl Migrationsoptimisten, die Einwanderung als Bereicherung für die Gesellschaft betrachten, als auch Migrationspessimisten, die sie als Bedrohung wahrnehmen, stützen sich häufig auf historische Beispiele, um ihre aktuellen Positionen zu rechtfertigen. Dieses Projekt untersucht, wie Migrationsgeschichte im akademischen Diskurs und in öffentlichen Debatten genutzt wird, um aktuelle Perspektiven auf Migration und Integration zu unterstützen. Die Studie konzentriert sich auf Debatten in den USA, Deutschland und den Niederlanden und untersucht die Verwendung von Migrationsgeschichte aus dem niederländischen „Goldenen Zeitalter“, der amerikanischen Einwanderung im 19. und frühen 20. Jahrhundert und der modernen deutschen Migrationsgeschichte. Unter Verwendung der Instrumente der Erinnerungsforschung wird im Rahmen des Projekts kritisch untersucht, wie Migrationsgeschichte genutzt wird, wobei der Schwerpunkt auf optimistischen Interpretationen liegt, ein Thema, das in der bestehenden Forschung weitgehend übersehen wird. Diese Forschungsarbeit wird diese Lücke schließen, indem sie analysiert, wie optimistische Erzählungen konstruiert werden, welche Annahmen ihnen zugrunde liegen und ob diese Interpretationen einer wissenschaftlichen Überprüfung standhalten. Wann wird die Vergangenheit idealisiert oder selektiv genutzt, und sind Vergleiche mit der Gegenwart sinnvoll?