Potenziale der Zivilgesellschaft: Solidarisches Verhalten bei der Krisenbewältigung

Abstract

Die Corona-Pandemie hat unser Zusammenleben auf den Kopf gestellt: Der Alltag ist geprägt von Maßnahmen zur Eindämmung, darunter Kontaktverbote und Maskenpflicht, geschlossene Geschäfte und Bildungsstätten. Diese beruhen auf dem Gedanken der Solidarität: Wir schützen uns gegenseitig vor Ansteckung und unser Gesundheitssystem vor Überlastung. Doch Solidarität lässt sich nur begrenzt politisch vorgeben, sie wird von den Bürger*innen gelebt. Wie bei früheren Krisen spielt dabei die Zivilgesellschaft eine zentrale Rolle: Sie vernetzt Bürger*innen, stärkt solidarisches Verhalten, unterstützt Hilfsbedürftige bei der Bewältigung, sie artikuliert auch Kritik und macht auf Missstände aufmerksam. Gleichzeitig bringen Einschränkungen der Bewegungs- und Versammlungsfreiheit das Vereins- und Verbandsleben zum Erliegen und Erschweren viele gewohnte Formen des zivilgesellschaftlichen Engagements.

Das SolZiv-Projekt untersucht Ausmaß und Bedingungen solidarischen Verhaltens in zivilgesellschaftlichen Formen. Zum einen: Wer engagiert sich zivilgesellschaftlich? In welcher Form? Und wie wird das Engagement trotz weitreichender Kontaktverbote praktisch umgesetzt? Zum anderen: Wer profitiert vom Engagement? Wer fühlt sich übersehen? Und welche Angebote nehmen Bedürftige an? Dies sind entscheidende Fragen, um die gesellschaftlichen Folgen der Pandemie zu verstehen und Maßnahmen abzuleiten, die die Zivilgesellschaft bei der Krisenbewältigung gezielt fördern.

Um das aktuelle Dilemma der Zivilgesellschaft systematisch zu erfassen, werden im Rahmen des Projekts Bevölkerungsumfragen in fünf europäischen Ländern durchgeführt (mit zwei Wellen in Deutschland) sowie eine Organisationsbefragung in Deutschland. Das Verbundprojekt wird von der Berlin University Alliance (BUA) gefördert und ist an der Schnittstelle von Soziologie, Politikwissenschaft und Psychologie angelegt. Die Schwerpunkte der Analyse liegen im Bereich Soziologie der Emotionen und sozialer Ungleichheit (PI Christian von Scheve, FU Berlin), Persönlichkeitspsychologie (PI Jule Specht, HU Berlin) sowie vergleichende Zivilgesellschafts- und Organisationsanalyse (PI Swen Hutter).