Förderung der Rule of Law und Verrechtlichung jenseits der Nationalstaat
In diesem Projekt untersuchen wir, wie sich im Völkerrecht Sekundärregeln herausbilden und weiterentwickeln. Während Primärregeln menschliches Verhalten direkt regulieren, schreiben Sekundärregeln vor, wie Primärregeln gebildet, fortentwickelt, angewandt und interpretiert werden. Somit erfüllen Sekundärregeln für die Realisierung der globalen rule of law zentrale Funktionen, denn sie schränken die Möglichkeiten politischer Willkür ein, stabilisieren normative Erwartungen und stellen Rechtssicherheit her. H.L.A. Hart, der die Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärregeln geprägt hat, differenziert zwischen drei Arten von Sekundärregeln: rules of recognition, rules of change sowie rules of adjudication.
Trotz der offensichtlichen Bedeutung dieser „Regeln über die Regeln“ für die Förderung der rule of law jenseits des Nationalstaats gibt es kaum theoretische Literatur zu den kausalen Mechanismen, die der Entwicklung von Sekundärregeln im Völkerrecht unterliegen. Daher zielt unsere Studie darauf ab, Hypothesen zu relevanten Kausalfaktoren zu entwickeln und diese einem ersten Plausibilitätstest zu unterwerfen. Inspiriert von Leon Festingers wegweisender Theorie der kognitiven Dissonanz konzeptualisieren wir die (Fort-)entwicklung von Sekundärregeln als Dissonanzreduktion. Zur empirischen Illustrierung unseres Arguments ziehen wir drei Fallbeispiele heran: Erstens analysieren wir die Verhandlungen über Artikel 52 der Wiener Vertragsrechtskonvention, zweitens das Prinzip ex iniuria ius (non) oritur im Kontext der Kosovo-Intervention von 1999, und drittens diskutieren wir die Verhandlungen über die jurisdiktionale Dimension des Verbrechens der Aggression im Kontext der Überprüfungskonferenz des Internationalen Strafgerichtshofs im Jahr 2010.