Minderheiten und Mehrheit

Minderheiten erfahren in der Gesellschaft einen besonderen Schutz. Geht dieser Schutz zu Lasten der Mehrheit? Brauchen Mehrheiten ebenso einen Schutz oder verfügen sie immer noch über genügend Möglichkeiten, ihre Interessen durchzusetzen? Die globale Migration und die zunehmende Vielfalt der westlichen Gesellschaften haben nach Ansicht der beiden WZB Forscher Ruud Koopmans und Liav Orgad die Dynamik der Gruppen innerhalb der Gesellschaft verändert.

Der Ausbau von Minderheitenrechten, die Erosion nationaler Souveränität und der demographische Wandel hätten dazu geführt, dass die Dominanz der Mehrheitskultur nicht länger selbstverständlich ist, wie beiden Forscher deutlich machen. Deshalb sei eine Neubetrachtung von Mehrheits-Minderheitsverhältnissen notwendig, die sich nicht nur auf die Abwehr einer vermeintlich drohenden Tyrannei der Mehrheit richte.

In einem WZB-Discussion-Paper entwickeln Ruud Koopmans und Liav Orgad einen neuen theoretischen Rahmen zur Bewertung von Mehrheits-Minderheiten-Konstellationen. Das Paper ist das erste Kapitel des entstehenden Buches „Majorities, Minorities, and the Future of Nationhood“, das Essays verschiedener Autoren versammeln wird. 

Der Soziologe Koopmans und der Jurist Orgad stellen Bausteine für eine soziologisch fundierte Theorie des Ausgleichs von Mehrheits- und Minderheitsrechten vor. Ihr „gruppenübergreifender Differenzierungsansatz“ unterscheidet zwischen „einheimischen Mehrheiten“ und „zugewanderten Mehrheiten“, neben der traditionellen Unterscheidung zwischen indigenen/nationalen und zugewanderten Minderheiten. Die Autoren liefern Beispiele für die Umsetzung ihres Ansatzes und erläutern die unterschiedlichen Bedeutungen kultureller Mehrheitsrechte. Nur durch eine kontextualisierte und relationale Betrachtung von Gruppen, so folgern sie, können konkurrierende Forderungen von Mehrheiten und Minderheiten gerecht bewertet werden.

16.2.2021