Warum viele Abiturienten nicht studieren
Abitur ja, Studium nein danke: Das sagen hierzulande 30 Prozent aller Schulabgänger mit Hochschulreife. Damit zählt Deutschland zu den Ländern mit der bei weitem geringsten Studierneigung. Unterschiede zeigen sich aber auch zwischen den Bundesländern. Während in Bayern 80 Prozent der Abiturienten später zur Hochschule gehen, sind es in Nordrhein-Westfalen nur 60 Prozent. Warum das so ist, hat ein Forscherteam am WZB herausgefunden: In Regionen, denen es wirtschaftlich gut geht, entscheiden sich mehr junge Menschen für ein Studium. Eine wichtige Rolle spielen auch die Schule und das Vorbild der Mitschüler. Und: Frauen studieren seltener als Männer.
So ist die Studierneigung in Städten und Landkreisen mit besonders geringer Arbeitslosigkeit rund fünf Prozent höher als in Gegenden mit sehr vielen Arbeitslosen. Auch in Regionen mit einem hohen Bruttoinlandsprodukt und einem großen Angebot an Ausbildungsplätzen ist die Studierneigung höher. „Möglicherweise schätzen die Studienberechtigten in wirtschaftlich starken Regionen das Risiko eines nicht erfolgreichen Studiums geringer ein, da sie gegebenenfalls ja noch einen Ausbildungsplatz bekommen“, erklärt Mitautor Marcel Helbig.
Die Forscher konnten auch nachweisen, welche Rolle die Schule bei der Entscheidung für oder gegen ein Studium spielt. So ist die Studierneigung dort niedriger, wo sich Schülerinnen und Schüler nur unzureichend auf den nachschulischen Werdegang vorbereitet fühlten. Außerdem stellten die Autoren einen wichtigen Gruppeneffekt fest: Je mehr Schüler ein halbes Jahr vor Erlangen der Hochschulreife ein Studium anstreben, desto häufiger entscheiden sich Mitschüler auch nach dem Schulabschluss für ein Studium, die das vorher noch nicht geplant hatten. Dieser positive Einfluss lässt sich vor allem in den südlichen Bundesländern, aber auch in Schleswig-Holstein und Sachsen beobachten. In Ländern dagegen, wo bereits vor dem Abitur weniger Schüler studieren wollen, sinkt die Studierneigung nach Erlangung der Hochschulreife weiter. Dieser negative Zusammenhang zeigt sich in den neuen Bundesländern (außer Sachsen), in den Stadtstaaten, in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.
Obwohl heute mehr Mädchen als Jungen Abitur machen, studieren sie seltener – gerade in Bundesländern mit einem hohen Anteil studienberechtigter Frauen. Vor allem junge Frauen mit ungünstigeren Studienvoraussetzungen – zum Beispiel Frauen aus niedrigeren sozialen Schichten – schätzen die Kosten eines Studiums im Gegensatz zu Männern höher ein, die Erträge und die Erfolgswahrscheinlichkeit jedoch geringer. Viele von ihnen beginnen daher eher eine Berufsausbildung. Ganz anders sieht es bei den Migranten aus: Wer es von ihnen bis zum Abitur geschafft hat, nimmt die Chance auf einen Hochschulabschluss eher war als junge Menschen ohne Migrationshintergrund.
Die Ergebnisse der Studie sind als Discussion Paper (PDF) erschienen.