Die Parteien und die EU
Vor den Europawahlen haben sich die Forschenden im Manifesto-Projekt angeschaut, was uns die Wahlprogramme der nationalen Parteien auch über die europäische Ebene erzählen können. Das Manifesto-Projekt am WZB und der Universität Göttingen analysiert Wahlprogramme zu den nationalen Wahlen in allen Ländern der Europäischen Union. In einer kleinen Social Media Serie auf den Plattformen X und Bluesky und hier auf der WZB-Homepage haben die Forschenden Ergebnisse zusammengestellt.
Die Ergebnisse im Überblick:
Was denken die nationalen Parteien und Regierungen über die EU?
Mit den Projektdaten lässt sich nachvollziehen, welche Bedeutung die Europäische Gemeinschaft/Europäische Union für die nationalen Parteien seit ihrer Gründung gespielt hat und wie sie sich zur europäischen Integration positionieren. Über die Jahre hat die Bedeutung der EU – auch im nationalen Kontext – deutlich zugenommen. Besonders in Frankreich, Italien, aber auch im Vereinigten Königreich, Österreich und Slowakei ist die Bedeutung der EU stark angestiegen. Gleichzeitig ist die Positionierung der Parteien zur EU differenzierter geworden. Während sich in den Anfangsjahren alle Parteien fast immer positiv über die EU geäußert haben, kamen über die Jahre auch immer mehr negative Aussagen dazu. Verantwortlich dafür sind vor allem nationalistische Parteien – wie in Deutschland die AfD – aber auch weit links stehende Parteien.
Dieser Trend hat auch vor dem Europäischen Rat, also den europäischen Regierungen, nicht halt gemacht. Auch wenn europaskeptischere Parteien in den Regierungen seltener vertreten sind als in den Parlamenten, zeigt sich in den letzten 10 Jahren auch bei den Regierungsparteien ein Anstieg an EU-kritischen Äußerungen.
Wie hat sich die Position des Europäischen Rates über Zeit verändert?
Mit Hilfe der Daten der nationalen Parteien lässt sich auch eine Annäherung an die Position des Europäischen Rates von 1952 bis heute berechnen. Hierfür wurde zunächst die Position der nationalen Regierungen (als das gewichtete Mittel der jeweiligen Regierungsparteien) berechnet und daraus dann ein Mittelwert gebildet. Der aktuell häufig diskutierte Rechtsruck zeigt sich interessanterweise nicht mit Blick auf die mittlere sozioökonomische Position der Regierungsparteien. Hier ist über die letzten Jahrzehnte vielmehr eine Verschiebung zu stärker staatsinterventionistischen (d.h. linken) Positionen zu verzeichnen. Der Trend auf der soziokulturellen Ebene, also bei Themen wie Migration und Gleichheit der Geschlechter, geht allerdings in Richtung konservativerer Positionen. Für diese Trendbestimmung wurde allein auf die Mittelwerte geschaut, nimmt man allerdings die individuellen Positionen der Regierungen der einzelnen Mitgliedsländer in den Blick, dann zeigt sich, dass die Varianz über die Jahre und mit steigender Anzahl von Mitgliedsländern immer größer geworden ist.
Wie heterogen sind die Fraktionen im Europäischen Parlament?
Diese Heterogenität zeigt sich nicht nur im Europäischen Rat, sondern auch mit Blick auf die Fraktionen des Europäischen Parlaments. Die Analyse zeigt, dass die Mitgliedsparteien in den Fraktionen sich teils stark in ihren Positionen unterscheiden. Die beiden rechtspopulistischen Fraktionen (ID + EKR) sowie die Konservativen (EPP) liegen auf der sozioökonomischen Dimension (hier geht es um die Rolle von Staat bzw. Markt in wirtschaftlichen Fragen) teils weit auseinander. Die Parteien, die in den Fraktionen der Liberalen (Renew Europe) und der Grünen (*Grüne/EFA*) versammelt sind, unterschieden sich dagegen stark in ihren soziokulturellen Positionen.
Die Grafik zeigt, aufgegliedert nach Fraktionen im Europäischen Parlament, wo sich die Parteien des 9. Europäischen Parlaments (2019-2024) im zwei-dimensionalen Raum verorten lassen. Für jede Partei wurde die sozioökonomische (Staat versus Markt) und die soziokulturelle (progressiv versus konservativ) Position bestimmt. Die Graphik zeigt, wie weit Parteien, die sich in einer Fraktion versammeln ideologisch auseinander liegen. Gezeigt werden alle sieben aktuell im EP vertretenen Fraktionen: Die GUE/NGL (Fraktion Die Linke im Europäischen Parlament), Grüne/EFA (Fraktion Die Grünen/Europäische Freie Allianz), S&D (Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament), Renew Europe (Fraktion Renew Europe), EVP (Fraktion der Europäischen Volkspartei), EKR (Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer), ID (Fraktion Identität und Demokratie)
4.6.24/PL, kes