Montag, 19. November 2018

Erloschene Liebe? Das Auto in der Verkehrswende. Soziologische Deutungen

Buchvorstellung und Diskussion

Das private Auto war für lange Zeit das Sehnsuchtsobjekt und Symbol eines gelungenen Lebens. Es war eine kollektive Liebe der Mittelschicht und derjenigen, die dort hinstrebten. Doch diese affektive Bindung schwindet vor allem in der Stadt. Der Grund: Es gibt einfach zu viele Autos.

Langsam kommt in Politik und Gesellschaft an, dass nur die Verkehrswende helfen kann, das Verkehrschaos zu bändigen. Zukunftsfähig scheinen aber nur solche Verkehrsangebote zu sein, die auch unter Ressourcenknappheit individualisierbar bleiben. Autos nutzen statt besitzen, wird in Verbindung mit digitalen Plattformen attraktiv; das Radfahren gewinnt gerade in den Städten an Popularität. Mobilitätsdienstleistungen kommen aus der Nische und können dank des mobilen Internets flexibel und zugleich routinemäßig genutzt werden. Der bestehende Rechtsrahmen jedoch privilegiert nach wie vor private Autos. Dagegen deuten die Präferenzen der städtischen Bevölkerung und auch die digitalen Optionen in eine andere Richtung: Die fortschreitende „Individualisierung“ findet andere Wege als den privaten Besitz von Autos.

Soweit die Thesen der Autoren Weert Canzler, Andreas Knie, Lisa Ruhrort und Christian Scherf, die sie in dem Buch „Erloschene Liebe? Das Auto in der Verkehrswende. Soziologische Deutungen“ dargelegt haben. Doch wird da eine Rechnung ohne den Wirt gemacht? Ist das nicht ein elitärer Großstadtdiskurs, der vom Alltag der Millionen von Pendlerinnen und Pendlern Lichtjahre entfernt ist? Schlimmer noch: Treibt die hier vertretene Forderung einer umfassenden Verkehrswende den Populisten nicht viele neue Wähler zu? Stellen Autos nicht sogar einen Grundpfeiler des Versprechens auf das private Glück dar, der also nicht ungestraft angetastet werden darf? Diese Fragen stellen sich daher grundsätzlich: Wieviel Veränderung ist der deutschen Automobilgesellschaft zuzumuten? Wieviel Änderung ist notwendig?

Wolfgang Schroeder, WZB-Fellow in der Abteilung Demokratie und Demokratisierung und Professor an der Universität Kassel, wird die neue Studie bei der Buchvorstellung am WZB präsentieren und mit den Autoren diskutieren.