Produktives Altern in Europa: Die Bedeutung von Erwerbsarbeit, Familienarbeit und ehrenamtlichem Engagement
Angesichts eines steigenden Anteils älterer Menschen an der Bevölkerung westlicher Industrienationen wird in den letzten Jahren unter dem Stichwort des „Produktiven Alter(n)s“ zunehmend die Möglichkeit produktiver Tätigkeiten dieser Menschen diskutiert. Damit ist einerseits die längere Beteiligung am Erwerbsleben gemeint, andererseits verschiedene andere Partizipationsformen, wie ehrenamtliches Engagement, Pflegetätigkeiten, die Betreuung von Enkelkindern und sonstige informelle Unterstützungsleistungen.
Ziel des vorliegenden Projekts ist es zu untersuchen, welche institutionellen Rahmenbedingungen die Beteiligung Älterer an verschiedenen Formen produktiver Tätigkeiten in Europa fördern. Als „produktives Altern“ wird dabei die Beteiligung von Menschen zwischen 50 und 75 Jahren an Erwerbsarbeit sowie nicht bezahlten Tätigkeiten, wie Familienaufgaben und ehrenamtlichem Engagement, verstanden. Die institutionellen Bedingungen für eine solche Beteiligung sind in den verschiedenen europäischen Ländern sehr unterschiedlich: So unterscheiden sich nicht nur das gesetzliche Rentenalter sowie die Möglichkeiten für eine armutsvermeidende Alterssicherung, sondern auch die Verfügbarkeit von Pflegeeinrichtungen für ältere Angehörige und von öffentlichen Betreuungseinrichtungen für (Enkel‑)Kinder.
Zur Beantwortung der Forschungsfrage nach dem Einfluss institutioneller Rahmenbedingungen auf bestimmte Formen produktiven Alterns berücksichtigt das Projekt zwei Analyseebenen: Der Schwerpunkt liegt auf der Analyse der individuellen Beteiligung an den genannten Formen produktiver Tätigkeiten in verschiedenen europäischen Ländern auf der Basis von Mikrodaten (Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe, SHARE). In Ergänzung dieses zentralen Projektziels werden anhand theoretischer Modelle zur Typologisierung von Wohlfahrtsstaaten Makrovariablen generiert, die den Einfluss der institutionellen Rahmenbedingungen auf Lebensverläufe operationalisieren und die als erklärende Variablen in die Mikromodelle einfließen.
Auf beiden Analyseebenen sind vier übergreifende Perspektiven relevant: (a) die Mehrdimensionalität von Lebensverläufen, d.h. die Untersuchung von Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Formen produktiven Alterns, (b) eine sozialstrukturelle Perspektive, die die Beteiligung von Menschen unterschiedlicher sozialer Herkunft an produktiven Tätigkeiten im Alter analysiert, (c) ein Geschlechtervergleich, der Unterschiede zwischen den Beteiligungsformen von Männern und Frauen berücksichtigt, sowie (d) eine Paarperspektive, die den Einfluss der Partner auf die Beteiligung an verschiedenen Formen produktiver Tätigkeiten im Alter untersucht.