Feldexperiment zu Bewerbungen

Kopfnoten wiegen schwerer als Fächernoten

Wer sich um einen Ausbildungsplatz bewirbt, sollte nicht nur gute Noten in Mathe, Englisch und Deutsch vorweisen können. Mindestens ebenso wichtig sind deutschen Personalchefs Lehrerbewertungen über die Zuverlässigkeit, Motivation oder Teamfähigkeit von Schülern. Das zeigt eine Studie der WZB-Forscherinnen Paula Protsch und Heike Solga, die jetzt in der European Sociological Review erschienen ist.

In einem Feldexperiment wurden 322 Bewerbungen im Namen von fiktiven männlichen Zehntklässlern, die vor dem mittleren Schulabschluss stehen, verschickt. Die Bewerbungen reagierten auf reale Stellenanzeigen für die Berufe Mechatroniker, Automechaniker und Elektriker; angeschrieben wurden Unternehmen mit mehr als 30 Angestellten. Das Ergebnis: Personaler rekrutieren Bewerber stark nach ihren Kopfnoten. Von den Bewerbern, die einen Notenschnitt von 3,4 aufbieten konnten, wurde knapp jeder zweite zum Vorstellungsgespräch eingeladen – wenn die Verhaltensbewertungen positiv waren. Ihre Erfolgsquote war damit doppelt so hoch wie die jener Bewerber, die zwar einen Fächerdurchschnitt von 3,0, aber nur unvorteilhafte Beurteilungen zum Arbeits- und Sozialverhalten vorweisen konnten.

Den klassischen Fächernoten wird damit die Bedeutung nicht abgesprochen. In der Gemengelage von Noten als Signalen für kognitive Fähigkeiten und Verhaltensbewertungen als Signalen für die sogenannten nicht-kognitiven Fähigkeiten erhalten letztere aber ein leichtes Übergewicht. Die Autorinnen resümieren: „Gute Noten helfen nicht, wenn die Verhaltensbewertung schlecht ist; andererseits kompensiert eine gute Bewertung aber schlechte Noten nicht vollständig.“

Zum abstract des Artikels "How Employers Use Signals of Cognitive and Noncognitive Skills at Labour Market Entry. Insights from Field Experiments" in der European Sociological Review

Das Feldexperiment fand im Rahmen des WZB-Brückenprojekts Rekrutierungsverhalten von Unternehmen auf Ausbildungs- und Arbeitsmärkten statt, an dem neben Paula Protsch und Heike Solga die Ökonominnen Dorothea Kübler und Julia Schmid beteiligt sind.