Algorithmisches Management und betriebliche Interessenvertretung in der deutschen Plattformökonomie. Eine Fairwork-Studie

Abstract

Im Rahmen einer Fairwork-Studie untersucht und bewertet das Projekt die Arbeitsbedingungen auf digitalen Arbeitsplattformen, und beschäftigt sich dabei insbesondere damit, wie sich algorithmischen Managements auf die Arbeit auswirkt und welche Formen der Organisierung von Beschäftigten sich in der Plattformökonomie herausbilden.

Der zunehmende Einsatz von datenbasierten und automatisierten Steuerungsprozessen auf digitalen Arbeitsplattformen hat eine lebhafte Diskussion über den Begriff des algorithmischen Managements ausgelöst. Während die automatisierte Ausführung von Koordinations- und Kontrollaufgaben potenzielle Produktivitätsgewinne durch die effizientere Nutzung von Ressourcen bietet, werden algorithmische Managementtools auch - oft ohne das Wissen der Betroffenen - bei der Rekrutierung, der Steuerung von Arbeitsprozessen und der Überwachung von Beschäftigten eingesetzt. Dies verstärkt Machtungleichgewichte zwischen Plattformen und Arbeitnehmer:innen und kann zur Dequalifizierung und Prekarisierung von Arbeit führen.

Der Vehemenz, mit der algorithmische Managementansätze diskutiert werden, stehen bislang eher ambivalente empirische Forschungsbefunde gegenüber. Digitale Kontroll- und algorithmische Managementsysteme treten in sehr unterschiedlichen Formen auf; ihre Einsatzzwecke und damit verbunden ihre Wirkungen auf den Arbeitseinsatz unterscheiden sich aufgrund der spezifischen Arbeitsorganisation und Art der Tätigkeit in verschiedenen Anwendungskontexten und unterschiedlichen Wirtschaftssektoren erheblich. Algorithmisches Management hat zwar das Potenzial, repressive Formen der Kontrolle des Arbeitseinsatzes zu ermöglichen. Die Frage, welche konkreten Arbeitsfolgen der Einsatz algorithmischer Steuerungssysteme hat, ist jedoch alles andere als entschieden, und es stellt sich die Frage nach Erklärungsansätzen für die Unterschiede in den Arbeitsfolgen.

In den Diskussionen wird Regulierungsbedarf deutlich. Es ist allerdings unklar, inwieweit Formen der datenbasierten, durch Algorithmen vermittelten Steuerung durch bestehende Regulierungsformen (z.B. DSGVO, Betriebsverfassungsgesetz etc.) abgedeckt sind und welche neuen Regulierungsinstrumente dementsprechend erforderlich sind (siehe z.B. die Diskussionen auf europäischer Ebene zu Datenschutz- und Regulierungsfragen bei digitalen (Arbeits-)Plattformen sowie zum Artificial Intelligence Act). Ein Bereich, in dem die Frage der algorithmischen Steuerung derzeit besonders intensiv diskutiert wird, ist der der Selbstkontrolle und Mitbestimmung. Dies ist insofern nicht verwunderlich, als dass der Einsatz algorithmischer und damit oft intransparenter und weitgehend automatisierter Entscheidungsprozesse in Unternehmen unmittelbar droht, Partizipations- und Mitbestimmungsrechte auszuhöhlen. Für die Akteure der (über-) betrieblichen Mitbestimmung sind daher Fragen der algorithmischen Steuerung, ihrer Anwendung, aber auch der Gestaltungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz von entscheidender Bedeutung.

Das Projekt will einen Beitrag zu dieser Debatte leisten, indem es digitale Arbeitsplattformen in Deutschland im Hinblick auf den Einsatz von algorithmischen Managementsystemen und deren Folgen für Arbeitsstandards sowie mögliche Regulierungsoptionen untersucht. In einer vergleichenden Untersuchung verschiedener Bereiche der Plattformökonomie (u.a. Lieferdienste, Fahrdienste, haushaltsnahe Dienstleistungen) werden die folgenden Fragen verfolgt:

  1. Welche Ansätze des algorithmischen Managements sind auf Plattformen zu finden? Wie wirken sie sich auf die Arbeitsbedingungen aus? Wie unterscheiden sie sich zwischen verschiedenen Bereichen der Plattformökonomie?
  2. Welche Formen der Organisierung und Interessenvertretung von Beschäftigten in der Plattformökonomie entwickeln sich?
  3. Welchen Einfluss haben bereits existierende Instrumente zum Datenschutz und welche besonderen Herausforderungen für die zukünftige gesetzliche Regulierung algorithmischen Managements lassen sich identifizieren?

Das Ziel des Projekts ist jedoch nicht nur ein besseres Verständnis der Arbeitsbedingungen auf digitalen Arbeitsplattformen, sondern auch die Nutzung der Ergebnisse in Zusammenarbeit mit den wichtigsten Interessengruppen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Die Ergebnisse sollen daher auch in die Diskussionen über die EU-Richtlinie zur Regulierung von Plattformen eingebracht werden.

Das vorgeschlagene Projekt ist Teil des Fairwork-Netzwerks. Das am Oxford Internet Institute (OII) und am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) angesiedelte Fairwork-Projekt hat digitale Arbeitsplattformen anhand von fünf Grundsätzen für faire Arbeit in 39 Ländern auf fünf Kontinenten analysiert, bewertet und beurteilt. Das beantragte Projekt wird die Fairwork-Berichterstattung in Deutschland für die Jahre 2025 und 2026 durchführen.

Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Maren Borkert und Dr. Luke Troynar von der XU Exponential University of Applied Sciences und Prof. Dr. Mark Graham, Direktor des Fairwork Projekts und Professor am Oxford Internet Institute der Universität Oxford durchgeführt.