Politische Parteien in Bewegungen

Abstract

Die Mobilisierung sozialer Bewegungen hat erheblichen Einfluss auf die Parteipolitik. Sie prägt das Selbstverständnis und das Handlungsrepertoire politischer Parteien. Das Projekt untersucht aus politikwissenschaftlicher und soziologischer Perspektive die Rolle sogenannter Bewegungsmarken (movement brands) in der Parteipolitik. Untersucht wird, unter welchen Bedingungen Bewegungsmarken entstehen und wie sie die öffentliche Unterstützung und Mobilisierungskraft von Parteien beeinflussen.

Das Forschungsdesign kombiniert (i) eine Makroanalyse der Entwicklung von Bewegungsmarken über Zeit und Länder hinweg, (ii) Reaktionen auf individueller Ebene auf verschiedene Parteimerkmale und (iii) Fallstudien zu ausgewählten Momenten intensiver Interaktion zwischen Parteien und Bewegungen. Wir kombinieren zwei Analyseebenen: Organisationen (Parteien, soziale Bewegungen) und Individuen. Auf der Organisationsebene führen wir die Parteinamen und Beteiligung an Protestveranstaltungen als zentrale Indikatoren ein. Wir kombinieren diese mit Daten zu organisatorischen Merkmalen und programmatischen Profilen der Parteien. Auf individueller Ebene verwenden wir Daten über die Präferenzen und Absichten der Bürger*innen, sich an nicht-elektoralen Formen der Partizipation zu beteiligen. Wir führen Umfragen und Umfrageexperimente durch, um die Mobilisierungsstärke verschiedener Parteicharakteristika zu messen. Die Fallstudien – zu linken und rechten Parteien – erlauben es uns, die Mechanismen des Zusammenspiels von Bewegungs- und Parteipolitik besser zu verstehen.

Zu untersuchen, welche Auswirkungen die Mobilisierung von Bewegungen auf die Parteipolitik hat, verbessert unser Verständnis der Kopplung und operativen Logik verschiedener politischer Arenen. Sie schließt auch die Lücke zwischen der Bewegungsforschung und der Wahl- und Parteienforschung. Wir sehen eine Tendenz zur Entdifferenzierung der Arenen der Interessenvermittlung: Parteien zielen darauf ab, Proteste und Bewegungsmobilisierungen zu instrumentalisieren und zu kanalisieren. Parteien sind nicht nur Ziel von Protesten und Bewegungsmobilisierungen, sondern auch Motor nicht-wahlbezogener Mobilisierungen. Wir verstehen die Rebranding-Bemühungen der Mainstream-Parteien als Resilienzstrategie. Demgegenüber setzen die Herausforderer auf Bewegungsmarken als Innovationsstrategie, die ihnen den Durchbruch im Parteiensystem erleichtert. Durch die Untersuchung von Parteimarken in West- und Osteuropa können wir zeigen, dass Faktoren wie das Alter der Demokratie und die Stärke der Zivilgesellschaft das Ausmaß und das Profil der Beteiligung von Parteien an Protestpolitik bestimmen.