Energiewende – selbst gemacht
100 Prozent erneuerbare Energien bis 2050 sind möglich, sagen Experten und Umweltverbände. Man muss dafür aber radikal denken. Das haben die WZB-Forscher Andreas Knie und Weert Canzler getan, weit über das Erneuerbare-Energien-Gesetz hinaus. Sie setzen auf eine Verknüpfung von Energie- und Verkehrswende, wie sie bei der Vorstellung ihres Buches „Schlaue Netze – wie die Energie- und Verkehrswende gelingt“ (oekom verlag) erläuterten. „Der Verkehr ist das Problem, das bisher zu wenig im Blick ist“, sagte Knie. „In fünf Jahren werden wir für den Verkehr die Hälfte unserer Primärenergie aufwenden.“
Bei einem Pressegespräch, das die beiden Forscher mit der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Renate Künast führten, erklärten sie ihren Vorschlag, Strom-, Verkehrs- und Wärmenetze intelligent in einem Gesamtsystem zu verbinden. Anstatt die Aufteilung der Republik unter vier Großkonzerne weiter zu betreiben, solle erneuerbare Energie dort eingespeist werden, wo sie entsteht und verbraucht wird, nämlich bei den vielen dezentralen Einheiten: einzelnen Bürgern, Genossenschaften, Kommunen, kleinen und mittleren Betrieben.
Aus den Konsumenten würden so „Prosumer“, wie sie dem Zukunftsforscher Alvin Toffler vorschwebten, also Konsumenten, die gleichzeitig Produzenten sind. Beispielsweise müssten elektrisch betriebene Autos, die mit anderen genutzt werden (etwa in Carsharing-Flotten), auch als Energiespeicher genutzt werden. Diese würden nur geladen, wenn überschüssige Sonnen- oder Windenergie zur Verfügung stehen, aber auch bei kurzfristigen Schwankungen im Netz wieder Energie abgeben und zur Stabilisierung der Netze beitragen. Voraussetzung wäre eine kluge Verbindung dieser dezentralen Energiequellen in einem Gesamtnetz. Die heutige kleinteilige, schwankende Energieerzeugung, die völlig ungesteuert von privaten Dächern oder Wiesen eingespeist wird, vergrößere nur die Instabilität des Stromangebots.
„Deshalb muss ein Schlaue-Netze-Gesetz kommen“, sagten Canzler und Knie, „um die starke Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern zu ermöglichen und zu fördern. Ein solches Gesetz wäre der Hebel für das Gelingen der Energiewende.“