Energie- und Verkehrswende als Herausforderung für die sozialwissenschaftliche Forschung
Die Energie- und Verkehrswende ist nicht nur eine komplexe technische Herausforderung, sondern vor allem auch ein gesellschaftliches Projekt, das langfristig angelegt ist und dessen Ausgang und Wirkungen noch völlig offen sind. Insbesondere im Verkehrsbereich zeigt sich, dass die bestehenden politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen sowie auch die vorherrschenden Präferenzen der Nutzerinnen und Nutzer einem grundlegenden Wandel entgegenstehen. Gleichzeitig wächst aber die Notwendigkeit, aus Gründen des Klimaschutzes, der Erhaltung der gesundheitlichen Integrität, der Erreichung globaler Gerechtigkeit und letztlich auch zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft den Weg in eine postfossile Mobilitätszukunft einzuschlagen.
Das im „Klimaschutzplan 2050“ der deutschen Bundesregierung genannte Ziel, die verkehrsbedingten C02-Emissionen bis zum Jahr 2030 um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren, ist nicht alleine durch technische Innovationen und die dadurch erhofften Effizienzgewinne zu erreichen. Vielmehr erfordert es bedeutende Veränderungen in den regulatorischen Rahmenbedingungen sowie von individuellen Verhaltensroutinen und sozialen Praktiken. Dazu werden in dem Projekt folgende Fragepunkte bearbeitet:
- Es fehlt bisher an systematischen Erkenntnissen, wie solche Veränderungen gezielt angestoßen werden können: Wie flexibel verhalten sich die Menschen im Verkehr bereits heute, inwieweit und unter welchen Umständen ist ein Wandel in der Verkehrsmittelwahl überhaupt denkbar und mit welchen Maßnahmen können Verhaltensänderungen gezielt unterstützt werden?
- Zugleich fehlt es an Erkenntnissen und Konzepten, wie solche Interventionen und Veränderungen der regulatorischen Rahmenbedingungen des Verkehrs in Experimentierräumen gezielt umgesetzt werden können: Wie müssen solche Reallabore aussehen, welche regulatorischen Rahmenbedingungen sollten in diesen Räumen abgewandelt oder temporär außer Kraft gesetzt werden, um Verhaltensänderungen zu unterstützen und neue soziale Praktiken im Verkehr zu etablieren?
- Darüber hinaus stellt sich im Kontext einer Transformation des Verkehrssektors die Frage, wie Verhaltensänderungen überhaupt gemessen werden können. Hierzu bieten neue digitale Ansätze wie z. B. GPS-Tracking Chancen. Ihre konkrete Anwendbarkeit muss jedoch auch für sozialwissenschaftliche Fragestellungen erst noch eruiert werden.
Das Ziel des Vorhabens „Energie- und Verkehrswende als Herausforderung für die sozialwissenschaftliche Forschung“ ist es daher, in Hinblick auf diese Forschungslücken Erkenntnisse zu liefern und damit zur Entwicklung einer sozialwissenschaftlichen „Theory of Change“ für den Verkehrsbereich beizutragen. Im Ergebnis sollen im Sinne des Stiftungsziels der Stiftung Mercator konkrete Handlungsempfehlungen zur klimarelevanten Förderung der Energie- und Verkehrswende abgeleitet und in die verkehrspolitische Diskussion eingebracht werden.