Zivilgesellschaft und nichtbürgerliche Trägergruppen. Das Beispiel der frühen deutschen Arbeiterbewegung 1830-1880

Abstract

Das Projekt beschäftigt sich mit der frühen deutschen Arbeiterbewegung als Trägergruppe zivilgesellschaftlichen Handelns im 19. Jahrhundert. Im Mittelpunkt steht die politische Arbeitervereinsbewegung zwischen den 1830er und 1870er Jahren. Die Analyse bedient sich sowohl Bereichsdefinitionen, die Zivilgesellschaft zwischen Staat, Wirtschaft und Privatsphäre verorten, als auch Begriffsbestimmungen, die Zivilgesellschaft als besondere Form sozialen Verhaltens verstehen. Beide Definitionen werden an den Untersuchungsgegenstand „frühe Arbeiterbewegung“ angelegt. Normative und deskriptiv-analytische Elemente und Vorstellungen des Zivilgesellschaftsbegriffs werden miteinander verknüpft, um die Vielfalt, die Einsatzmöglichkeiten, aber auch die Ambivalenzen des Begriffes Zivilgesellschaft als Analyseinstrument deutlich zu machen. Die Untersuchung der Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts wird so zum Test für die Tragfähigkeit des Zivilgesellschaftskonzepts. Die frühe Arbeiterbewegung erscheint einerseits vielen Autoren und Kommentatoren als zivilgesellschaftlicher Akteur par excellence. Ihr auf Emanzipation, Partizipation, Selbstständigkeit und Selbstverantwortung ausgerichtetes Engagement fügt sich in die verbreitete Vorstellung von zivilgesellschaftlichen Akteuren. Andererseits stellte sich die frühe Arbeiterbewegung auch als Klassenbewegung dar, die – zumindest in der Rhetorik – die „bürgerliche Gesellschaft“ bekämpfen wollte. Toleranz, Anerkennung des Anderen, Akzeptanz von Pluralität, gewaltfreie Auseinandersetzung, spezifisch zivilgesellschaftliche Verhaltensweisen, gehörten gerade nicht zur ideologischen Grundeinstellung des Klassenkampfes. Diese Spannungslinien und Ambivalenzen der Arbeiterbewegung als zivilgesellschaftlicher Trägergruppe werden im Projekt untersucht. In einem weiteren Schritt gilt es, zum einen mit Hilfe des Vergleichs zu weiteren Erkenntnisse zu kommen sowie zum anderen generell nach dem Verhältnis von sozialer Ungleichheit und zivilgesellschaftlichem Handeln zu fragen.