Ausführliche Projektbeschreibung
In vielen fortgeschrittenen Demokratien – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß und in verschiedenen Formen – lässt sich eine wachsende Distanz zwischen den Positionen, die politische Eliten einnehmen und denen, die die Massenöffentlichkeit und Wählerschaften einnehmen, beobachten. Diese Kluft zwischen den Eliten und Massen kristallisiert sich in verschiedenen Themengebieten heraus, die oft mit der Globalisierung in ihren politischen, soziokulturellen und wirtschaftlichen Formen in Verbindung stehen. Sie zeigt, dass die Denationalisierung von Märkten, Regierungsstrukturen und Migrationsströmen nicht nur ein Gesamtwachstum an Chancen und Wohlstand bedeutet, sondern auch eine Rekonfiguration von Macht, Wohlstand und Status zwischen verschiedenen Akteursgruppen. Darüber hinaus wurden Konflikte, die diese Rekonfiguration umgeben, sowohl innerhalb nationaler politischer Systeme als auch innerhalb supranationaler und internationaler Institutionen manifest.
Politisch wurde die Verlagerung von Autorität von der nationalen zur supranationalen Ebene, besonders sichtbar im Kontext der Europäischen Union, stark von Eliten vorangetrieben und befürwortet, war jedoch in den vergangenen Jahren mit anwachsendem Widerstand in der Bevölkerung konfrontiert, wie das fehlgeschlagene Referendum zur Europäischen Verfassung und die heftigen sozialen Proteste gegen die Steuerung der Eurokrise und der Flüchtlingskrise zeigen. In einigen EU-Mitgliedstaaten sind populistische Parteien in Erscheinung getreten. Die am meisten hervorstehende soziokulturelle Konsequenz von Globalisierung und Denationalisierung, angewachsene Einwanderung in Verbindung mit daraus resultierender kultureller Heterogenität, hat auch größtenteils starke Unterstützung von Eliten erfahren, ist jedoch mit vermehrter Opposition seitens Mehrheiten in der Wählerschaft konfrontiert, die Restriktionen bei der Einreise und der kulturellen Assimilation von Einwanderern verlangen. Die wirtschaftliche Denationalisierung in Form der Deregulation internationaler Märkte hat umfassende Unterstützung unter Eliten erfahren – eingeschlossen der linken Eliten, z.B. „New Labour“ -, ist aber auf vermehrten Widerstand vonseiten Bewegungen gegen neoliberale Globalisierung und Teilen der traditionellen Arbeiterbewegung gestoßen, die nationale wohlfahrtsstaatliche Abkommen und teilweise wirtschaftlichen Protektionismus verteidigen.
Diese Prozesse führten in der nationalen politischen Arena zu Spannungen in vielen Ländern, widergespiegelt in dem Aufstieg linker und rechter populistischer Bewegungen und Parteien. Auf der internationalen Ebene werden internationale Institutionen nicht mehr als lediglich funktionale Instanzen zum Ausbau der Koordination zwischen Regierungen, sondern vermehrt als Instanzen politischer Autorität und Arenen politischer Auseinandersetzung gesehen.
Vor diesem Hintergrund fragen wir: 1) Inwiefern folgen diese unterschiedlichen Konflikte einer ähnlichen Logik und können als “neues politisches Cleavage” bezeichnet werden? 2) Sind die Positionen und Präferenzen eingebettet in umfassende normative Grundlagen, die als Kosmopolitismus und Kommunitarismus bezeichnet werden können? 3) Inwieweit bedarf der angemessene Umgang mit derartigen Konflikten eines signifikanten Wandels in der Landschaft politischer Institutionen?