Die Transnationalisierung von Kämpfen um Anerkennung - Frauen und Juden in Frankreich, Deutschland und Polen im 20. Jahrhundert

Abstract

Kurzbeschreibung

Transnationale Kämpfe um Anerkennung basieren auf grenzüberschreitenden zivilgesellschaftlichen Netzwerken, die dazu beitragen können, Nationalismus und Ethnozentrismus zu überwinden. Seit Jahrzehnten - und besonders nach dem Prozess der EU-Erweiterung 2004 - wurde der Mangel an Einheit und Identität in Europa weithin diskutiert und bedauert. Die Analyse zivilgesellschaftlicher Netzwerke von nationalen Akteuren, die die kulturellen und nationalen Grenzen überschritten oder sogar paneuropäische Initiativen entwickelten, liefert wertvolle Erkenntnisse, die zur Bewältigung aktueller Herausforderungen im heutigen Europa beitragen können. Die Erforschung dieser Netzwerke aus einer historischen und zeitgenössischen Perspektive ist bislang noch ein Desiderat. Das Projekt will diese wissenschaftliche Lücke mit empirischen Studien schließen, die sich auf zwei benachteiligte Gruppen, Frauen und Juden, in der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts beziehen, und zwar in einem zweifachen Vergleich: zwischen zwei Zeitabschnitten (1900 bis 1930 und achtziger Jahre bis heute) und zwischen drei Ländern (Frankreich, Deutschland und Polen). Wir gehen dabei von folgenden Prämissen aus: (1.) Die zwei ausgewählten Zeitabschnitte haben eine zentrale, teilweise beschleunigende Auswirkung auf die Organisationskraft, den Umfang und die Muster transnationaler Kämpfe um Anerkennung. (2.) Ein Vergleich zwischen Frankreich, Deutschland und Polen ist besonders aufschlussreich, weil diese Länder enge aber häufig konfliktreiche Beziehungen aufwiesen und auf unterschiedlichen nationalstaatlichen Modellen basieren. (3.) Frauen und Juden waren in transnationalen Netzwerken besonders aktiv.

Zielsetzung und Methoden

Das Projekt analysiert Prozesse von Transnationalisierung, wobei Kämpfe um politische, soziale und kulturelle Rechte im Mittelpunkt stehen. Es wird untersucht, ob und inwieweit diese Kämpfe um Anerkennung ein Schrittmacher sowohl für nationale wie transnationale Integration waren. Die Forschung basiert auf empirischen und interdisziplinären Analysen, die geschichts- und sozialwissenschaftliche Methoden miteinander verbinden. Das Projekt umfasst acht Fallstudien und bezieht, neben den genannten Forschern, acht Doktorandinnen und Doktoranden der Geschichte und der Sozialwissenschaft in den drei Ländern ein. Unser Ziel ist es, Brücken zu schlagen zwischen der nationalen und internationalen Ebene von Netzwerken und Organisationen sowie zwischen unterschiedlichen Disziplinen und methodologischen Zugängen in den drei europäischen Ländern. Wir wollen

  • Kontinuitäten, Brüche und Antinomien von Transnationalisierungsprozessen, die auf die Anerkennung von Rechten zielen, empirisch-vergleichend beschreiben,

  • die existierenden Theorien zu transnationalen Mobilisierungsprozessen spezifizieren und erweitern sowie

  • für benachteiligte Gruppen wie für politische Institutionen Wissen bereitstellen über die Möglichkeiten und Grenzen der Verwirklichung von Demokratie und Gerechtigkeit im Kontext der Europäisierung.