Interdisziplinarität und Forschungskreativität: Neue Verwertungswege

Abstract

Fächerübergreifende Forschung wird zunehmend gefordert und auch gefördert (z.B. durch ERC und BMBFProgramme). Interdisziplinarität wird dabei das Potenzial zugesprochen, komplexe Probleme, sog. ‚grand challenges’ bearbeiten zu können, die in Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung immer virulenter werden. Universitäten weltweit haben in den letzten fünfzehn Jahren große interdisziplinäre Zentren eingerichtet (z. B. BioX an der Stanford University). Von der Wissenschaftspolitik geförderte Organisationen, wie das Weizenbaum Institut zur Erforschung der Digitalisierung, stellen den Versuch dar, durch Interdisziplinarität ‚wicked problems’ wissenschaftlich bearbeiten zu können.

Aus der Forschung ist bekannt, dass Interdisziplinarität das Entstehen grundlegender Neuerungen, die oftmals an der Grenze zwischen Disziplinen entstehen, fördert. Sie schafft ungewöhnliche und überraschende Anschlüsse zwischen bisher unverbundenen Wissensbeständen, die besonders kreative Ergebnisse fördern können. Das Zusammenführen diverser Forschungsperspektiven lässt vollständig neue Wissenschaftsfelder entstehen, die Impulse für die Weiterentwicklung der Wissenschaft geben. So formierten sich in den letzten Jahren neue Felder wie synthetische Biologie (Biologie und IT) und Neuroökonomie (VWL und Psychologie).

Jedoch zeigen Studien, dass vielfach Publikations und Finanzierungsmöglichkeiten sowie Karrierewege in interdisziplinären Feldern fehlen. Interdisziplinär forschende Wissenschaftler benötigen mehr Zeit, um auf eine Professur berufen zu werden. Untersuchungen belegen, dass Rankings, die im Wesentlichen auf Publikationsleistungen basieren, die Entstehung interdisziplinärer Felder hemmen. Zeitschriften, die in Rankings oben erscheinen, bevorzugen monodisziplinäre Arbeiten. Die Qualität interdisziplinärer Arbeit ist deutlich schwerer einzuschätzen, da sinnvolle Kriterien nur in Ansätzen ausgearbeitet sind. Hier scheint eine Lücke zwischen epistemischer Praxis und organisationalen Gegebenheiten zu klaffen, die im Vergleich zu Ländern wie den USA größer ist, wo interdisziplinäre Departments und Ph.D.Programme existieren.

Das Projekt beleuchtet dieses Spannungsverhältnis, das zwischen Interdisziplinarität und disziplinären Strukturen im deutschen Wissenschaftssystem begründet wird. In der Sondierungsphase des Projekts (08/2017 bis 03/2019) wurden Strategien identifiziert, wie Forschende mit diesem Spannungsverhältnis umgehen. In Experten-Workshops und Interviews wurden Good-Practice-Beispiele für die Umsetzung interdisziplinärer Forschung bestimmt.

In der Hauptphase des Projekts (05/2019 bis 09/2023) werden Erfolgsfaktoren führender interdisziplinärer Zentren in den USA, Großbritannien und Israel analysiert. Zudem entwickeln wir ein interaktives Webinar für den interdisziplinären Wissenstransfer. Im Fokus steht dabei der Aufbau „interdisziplinärer Kompetenz“ für Forschende. Die Methode wird entlang verschiedener Themenbereiche (Karriere, Forschungsprozess, Kommunikation, Open Science) und Zielgruppen (u.a. Wissenschaftler, Transferadressaten) gegliedert und entwickelt.