Künstlerische Interventionen in Organisationen

Abstract

Paradoxerweise bündeln Organisationen wesentliche Ressourcen für die Entwicklung von Innovationen in der Gesellschaft, aber ihre etablierten Routinen und tradierten Sichtweisen bremsen oftmals die Entstehung und Durchsetzung von neuen Ideen. Daher werden immer wieder neue Ansätze erprobt, um die Lernfähigkeit von Organisationen zu stimulieren. In den letzten Jahren sind unterschiedliche Formen von „künstlerischen Interventionen“, in Organisationen eingesetzt worden, von denen die Entscheidungsträger sich innovative Anregungen für die Organisations-, Personal- bzw. Produktentwicklung erhoffen. Die Erwartungen sind hoch, jedoch mangelt es an systematischen Untersuchungen zu solchen Strategien und ihren Auswirkungen.

Dieses Projekt setzt sich zum Ziel, die Bedingungen zu analysieren, unter denen künstlerische Interventionen in Organisationen Quellen von Neuheit darstellen können. Dabei geht es um die Beobachtung von Prozessen und Wirkungsweisen in kurzen (Stunden oder Tage) und mittelfristigen (Monate) Interventionen mit diversen Kunstformen (z. B. Unternehmenstheater, Malerei, Fotografie, Tanz). Beleuchtet werden soll, wie sich die unterschiedlichen Wertvorstellungen und Interessen der Akteure (Mitarbeiter, Management, Künstler, intermediäre Organisationen bzw. Berater) aneinander reiben und unter welchen Umständen diese temporären kulturellen Konfigurationen zum Organisationslernen und zur Generierung von Neuheit beitragen.

Dem Einsatz von künstlerischen Interventionen in Organisationen unterliegt die Annahme, dass die Arbeitswelt durch die Konfrontation mit Menschen, Praktiken und Produkten aus der „fremden Welt“ der Künste, Impulse zu neuen Denk- und Verhaltensweisen erhält. Hiernach tragen künstlerische Praktiken dazu bei, organisationale Routinen und Selbstverständlichkeiten in Frage zu stellen und neue Fähigkeiten zu entwickeln. Durch den Einsatz der Künste sollen auch ästhetische und emotionale Aspekte Ausdruck finden, die in der Arbeitswelt häufig vernachlässigt werden.

Das Forschungsprojekt baut auf Erkenntnissen aus dem Bereich des Organisationslernens auf. Es wird angenommen, dass künstlerische Interventionen Änderungen oder Variationen der Betrachtungs- und Verhaltensweisen hervorbringen können, deren Spuren mehr oder weniger lange in der Organisation nachwirken. Die durch die Konfrontation entstehenden „Dissonanzen“ können dazu beitragen, dass überholte Praktiken und Strukturen in Frage gestellt werden, Voraussetzung dafür, neue Arbeitsformen, Ideen und Produkte zu entwickeln. Gefragt wird also nach den Bedingungen, die Interventionen wirksam werden lassen. Hinterfragt werden zugleich der von vielen Praktikern angenommene Automatismus sowie die implizite positive Besetzung dieser Wirkungen. Denn bestehende Vorstellungen, Interessen und (Macht-)Strukturen können sich in der Folge der Intervention auch verfestigen und Lernprozesse blockieren. Die zeitliche Dimension hat insofern eine besondere Bedeutung in diesem Projekt, da zu klären ist, welche Rolle die Dauer einer Intervention spielt, und wann und wie lange sich die Wirkungen (Formen von Neuheit) beobachten lassen. Aus dieser Forschung werden Beiträge zu Organisationslerntheorien, insbesondere zur Rolle der Zeit und zu den Beteiligungsformen von Bezugsgruppen in der Planung, Umsetzung und Evaluation von Lernprozessen erwartet.

In der ersten Phase des Forschungsprogramms wird eine mehrgleisige Strategie verfolgt:

  • Aufbau einer Datenbank über künstlerische Interventionen, um einen Überblick über Projekte, Organisationen und Künstler im unübersichtlichen Feld zu schaffen, den eigenen Ansatz darin klarer zu positionieren und eine Datenbasis für eigene Fallstudien zu erstellen.
     
  • Durchführung von Fallstudien über abgeschlossene und laufende künstlerische Interventionen in mehreren europäischen Ländern (siehe z.B.  meinen „Essai“ im Katalog zu dem Programm der „Résidence d’artistes“ in Eurogroup Consulting pdf). Wir nehmen seit 2009 an einem EU-geförderten Projektnetzwerk teil, TILLT-Europe, in dessen Rahmen wir Forschung durchführen und Methoden entwickeln, um die Wirkungen und Wirkungsweisen von künstlerischen Intervention aufzuspüren (siehe z.B. den Forschungsbericht 2009 pdf). Hinzu kommen Experimente mit künstlerischen Interventionen, die einen Blick auf potenzielle – aber in Organisationen bislang nicht auffindbare – Lernkonstellationen ermöglichen (z. B. experimentelle Workshops im Studio for Social Creation am Max Stern Academic College Emek Yezreel, Israel mit Teilnehmern aus den Bereichen Social Entrepreneurship, Conflict Engagement und Kunst). Da Action Research eine wichtige Rolle in dieser Forschung spielt, haben wir das Sonderheft des Action Research Journals zu Arts and Action Research mitherausgegeben.
     
  • Im Einklang mit dem Multi-Stakeholder-Ansatz werden Workshops mit den im Feld beteiligten Akteuren durchgeführt, um verschiedene Blickwinkel auf die Interventionen und mögliche Beurteilungskriterien zu erfassen und zu vergleichen (z. B. Artful Conversations mit Künstlern und eine Serie von drei Artful Research Workshops mit Künstlern, vermittelnden Organisationen, Unternehmensvertretern, Unternehmensberatern und Forschern).
Main content

Ausgewählte Publikationen

Ariane Berthoin Antal (2014), “When arts enter organizational spaces: Implications for organizational learning”, in: P. Meusburger, A. Berthoin Antal, M. Ries (Eds.), Learning organizations: The importance of place for organizational learning. Dordrecht, Springer. (pdf)

Berthoin Antal, Ariane & Nussbaum Bitram, Ilana (2014). Recomendaciones de los participantes de las intervenciones artísticas en organizaciones realizadas por Conexiones improbables 2011-2013. (pdf)

Berthoin Antal, Ariane & Nussbaum Bitram, Ilana (2014). ¿Qué valoran los participantes de las intervenciones artísticas en organizaciones realizadas por Conexiones improbables 2011-2013? (pdf)

Berthoin Antal, A., & Nussbaum Bitran, I., (2014). Beneficios personales y organizacionales de las intervenciones artísticas realizadas por Conexiones improbables 2011-2013. (pdf)

Berthoin Antal, A., & Nussbaum Bitran, I., (2014). Características de las organizaciones participantes en las intervenciones artísticas realizadas por Conexiones improbables 2011-2013 (pdf)

Berthoin Antal, A., & Nussbaum Bitran, I., (2014). Retos abordados por las intervenciones artísticas en organizaciones: Ejemplos de Conexiones improbables 2011-2013 (pdf)

Berthoin Antal, Ariane & Nussbaum Bitram, Ilana (2013). Reflexiones sobre el rol de Conexiones Improbables en las intervenciones 2011-2013. (pdf)

Berthoin Antal, Ariane & Nussbaum Bitram, Ilana (2013). Trabajadores, Responsables y Artistas: Perspectivas sobre las intervenciones “Píldoras Creativas” y “Conexiones Improbables” 2011-2013. (pdf)

Berthoin Antal, Ariane, Anke Strauß, "Artistic interventions in organizations: Finding evidence of values-added. Research report, Berlin: WZB, 2013, 52 p. (pdf)

Berthoin Antal, Ariane, "Artistic intervention residencies and their intermediaries: A comparative analysis", in: Organizational Aesthetics, 1/1 44-67, 2012. Abstract

Berthoin Antal, Ariane (with R. Gómez de la Iglesia and M. Vives Almandoz), Managing artistic interventions in organisations. A comparative study of programmes in Europe, 2nd edition, updated and expanded. Online publication. Gothenburg: TILLT Europe, 2011, 168 p. (pdf)

Ariane Berthoin Antal, “Manifeste, corporel et imprévisible: l’apprentissage organisationnel de la Résidence d’artistes”, in: La Résidence d’artistes Eurogroup Consulting, Catalogue 5, 2011. (pdf)

Mary Brydon-Miller, Ariane Berthoin Antal, Victor Friedman and Patricia Gayá Wicks (Eds.), “The changing landscape of arts and action research”, Special Issue on Arts and Action Research, Action Research, 2011, 9(1) 3–11, DOI: 10.1177/1476750310396405

Ariane Berthoin Antal: Research report: Research framework for evaluating the effects of artistic interventions in organizations, TILLT Europe: Göteborg, 2009, 81 p. pdf; Research Report: Summary (pdf)